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Zeugin am Abgrund

Zeugin am Abgrund

Titel: Zeugin am Abgrund
Autoren: Ginna Gray
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welchem Grund sie hier im Reservat gelandet war.
    Sams Verwandte gaben ihr ein Gefühl der Sicherheit. Als der Winter dem Frühling wich, dachte sie nur noch selten an den Prozess und daran, was sein würde, wenn die Zeit gekommen war, das Reservat zu verlassen. Sie war glücklich und zufrieden mit dem Leben, das sie hier führte.
    Nur wenige kannten Sams neue Mobilfunknummer -- sein Vater, seine Tante und sein Onkel und Edward Stanhope. Als das Telefon eines Nachmittags Ende Mai klingelte, wusste Sam instinktiv, wer ihn anrief.
    Er hatte Larry geholfen, den Motor seines Pick-ups neu einzustellen, und gerade war er ins Haus gekommen, um etwas zu trinken, als er den Klingelton hörte. Sam stellte die Getränkedosen, die er eben aus dem Kühlschrank geholt hatte, auf den Tresen, zog das Telefon aus seiner Hemdtasche und klappte es auf.
    Es war nicht ungewöhnlich, dass Edward ihn anrief. Er und Sam telefonierten meist vier- oder fünfmal pro Woche, doch diesmal hatte Sam eine Vorahnung, was den Grund von Edwards Anruf anging.
    “Ja?” sagte Sam, ohne sich mit Namen zu melden.
    “Der Prozess ist nach wie vor für Montagmorgen angesetzt.”
    Sam legte eine Hand in den Nacken und begann die angespannten Muskeln zu kneten. Er sah ins Wohnzimmer, wo Lauren am Piano saß und eine verträumte Melodie spielte. “Du hast doch gestern gesagt, dass die Verteidigung noch eine Verschiebung herausholen will”, erwiderte Sam mürrisch.
    “Der Richter hat diese Spielchen satt. Wir haben grünes Licht. Jetzt müssen wir nur noch Lauren am Montagmorgen um acht Uhr in Denver präsentieren.”
    “Ja, ich weiß.”
    Sam beendete das Gespräch und steckte das Telefon zurück in die Hemdtasche. Eine Zeit lang stand er einfach nur da und dachte nach. Dann endlich ging er zur Tür, die ins Wohnzimmer führte. Er lehnte sich an den Türrahmen und sah Lauren zu, wie sie am Piano saß und spielte.
    Sie war besonders hübsch, wenn sie spielte. Die Musik schien sie von innen heraus leuchten zu lassen, so als würde ihre Seele erstrahlen. Sie ging völlig in ihrer Musik auf, während ihre Finger über die Tasten tanzten und sie die Augen geschlossen hatte.
    Er hasste es, ihr die Neuigkeit zu überbringen.
    Tatsache war, dass er in sie verliebt war und keine Ahnung hatte, was er machen sollte.
    Er betrachtete ihr hübsches Profil. Er wollte sie nicht verlieren. Vielleicht … vielleicht sollte er ihr einfach nicht sagen, dass Edward angerufen hatte. Vielleicht sollten sie überhaupt nicht zu dem Verfahren erscheinen. Warum sollten sie Kopf und Kragen riskieren?
    Warum bleiben wir nicht einfach hier? fragte er sich. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er einen inneren Frieden gefunden. Endlich hatten er und sein Vater begonnen, sich gegenseitig zu verstehen und eine Beziehung aufzubauen. Lauren fühlte sich sicher und schien glücklich zu sein. Er selbst wäre zwar lieber zur Ranch zurückgekehrt, aber er konnte sich auch an dieses Leben gewöhnen.
    Sam war sicher, dass sein Vater ihn unter diesen Umständen verstehen würde. Wenn sie einfach hier blieben, würde niemand sie finden.
    Laurens Stück war zu Ende. Sie öffnete die Augen und erschrak, als sie ihn an der Tür stehen sah. “Sam! Ich wusste nicht, dass du da bist.” Dann betrachtete sie ihn aufmerksam, und Momente später verschwand das Lächeln von ihren Lippen. “Was ist?”
    “Edward hat eben angerufen. Wir müssen am Montagmorgen für den Prozess in Denver sein. Es wird Zeit für einen Plan.”
    Die Gruppe von gut zwanzig Indianern, die sich in Stammeskleidung dem Gerichtsgebäude näherte, lenkte nur wenige neugierige Blicke auf sich. Die Bürger von Denver waren zu gebildet, um zu gaffen.
    “Zu beiden Seiten des Eingangs stehen Federal Marshals. Bleibt ruhig und ignoriert sie”, wies Sam die Gruppe aus der Mitte heraus an. Einen Arm hatte er um Lauren gelegt, die andere Hand ruhte auf dem Revolver in seinem Halfter, das von seinem Hemd verdeckt wurde. In den letzten vier Monaten, die sie im Reservat verbracht hatten, war sein Haar lang geworden. Es reichte jetzt weit bis über die Schultern, und die Sonne hatte seine Haut noch etwas dunkler werden lassen. Zu Jeans und Hemd trug er Mokassins und einen Filzhut mit einem Hutband in Silber und Türkis. Den Rand hatte er ringsum nach unten geschlagen. Er bezweifelte, dass seine alten Kollegen ihn wieder erkennen würden.
    Lauren, in einem von Zetas Samtröcken in Königsblau, hatte die bunte Bluse in der Taille gegürtet. Ihr
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