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Zeugin am Abgrund

Zeugin am Abgrund

Titel: Zeugin am Abgrund
Autoren: Ginna Gray
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1. KAPITEL
    Z wei Schüsse, die in unmittelbarer Nähe der Tür abgefeuert wurden, ließen Lauren Brownley den Kopf hochreißen.
    Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihr Gesicht war kreidebleich. Bislang hatte sie Schüsse nur im Fernsehen oder im Kino gehört, aber sie erkannte das Geräusch sofort, und sie fühlte, wie ihr eine Gänsehaut über den Rücken lief.
    Ihr erster Gedanke galt der Flucht. Sie drehte den Wasserhahn zu und sah sich nach einer Möglichkeit um, aus der Damentoilette zu entkommen. Aber von dem hoch oben eingebauten Fenster abgesehen, das zur Gasse hinter dem Gebäude hin lag, gab es keinen Fluchtweg.
    Vorn in der Lounge schrie jemand vor Schmerzen auf. Lauren fühlte, wie sich ihr die Haare sträubten. Sie starrte auf die Tür und umklammerte mit nassen Händen den Unterschrank hinter ihr. Es war nach Ladenschluss. Von ihrem Boss Carlo Giovessi abgesehen, der sich vor zehn Minuten in sein Büro zurückgezogen hatte, sollte der Club Classico eigentlich leer sein.
    Großer Gott, war er etwa einem Einbrecher über den Weg gelaufen? Wenn ja, wer hatte dann den Schuss abgegeben?
    Nachdem sie sich noch einmal in aller Eile umgesehen hatte, schluckte Lauren und schlich auf dem gefliesten Boden leise bis zur Tür. Sie wollte sie öffnen, zog aber im letzten Moment die Hand zurück. Ihr Herz raste, als ihr bewusst wurde, welchen Fehler sie um ein Haar begangen hätte. Wenn der Einbrecher noch immer da draußen war und eine Waffe hatte, dann wollte sie ihn ganz sicher nicht auf sich aufmerksam machen.
    Als das Stöhnen draußen in der Lounge auf einmal lauter wurde, machte sie das Licht aus. Sie wartete einen Moment in der Dunkelheit, presste die Lippen aufeinander und öffnete dann vorsichtig die Tür einen Spaltbreit.
    Lauren hielt den Atem an. Sie sah drei Männer, die auf der Tanzfläche in der Nähe des Klaviers standen. Zwei von ihnen war sie im Club gelegentlich begegnet, ohne zu wissen, um wen es sich handelte. Der dritte Mann -- der die Waffe in der Hand hielt -- war Carlo.
    Vor ihm auf dem Boden kauerte ein weiterer Mann, der mit beiden Händen seine blutigen Beine festhielt. Lauren musste fast würgen, als ihr klar wurde, dass man ihm offenbar beide Kniescheiben zerschossen hatte.
    Der Mann rollte laut stöhnend zur Seite, so dass sie sein Gesicht sehen konnte. Überrascht erkannte sie, dass es sich um Frank Pappano handelte!
    Als sie vor zwei Monaten zum ersten Mal in der Lounge Klavier gespielt hatte, war Frank ihr als ein Geschäftspartner von Carlo vorgestellt worden. Seitdem hatte sie ihn oft im Club gesehen, ohne ihn näher kennen zu lernen -- nicht dass sie das überhaupt gewollt hätte.
    Frank war deutlich jünger als Carlo, etwa Mitte dreißig, und zumindest dann attraktiv, wenn man auf dunkle Typen stand. Er hatte einige Male versucht, mit ihr zu flirten, aber sie hatte so getan, als würde sie es nicht bemerken. Frank hatte etwas Kaltes und Seelenloses an sich, was ihr eine Gänsehaut bereitete.
    Trotzdem hatte er es nicht verdient, angeschossen zu werden. Sie konnte nicht fassen, dass Carlo so etwas getan hatte.
    Lauren ließ den Kopf gegen den Türrahmen sinken und schloss die Augen. O Gott, wie dumm sie doch gewesen war. Sie hatte in den Zeitungen die Anschuldigungen gelesen, sie wusste, was die Leute redeten, und seit sie im Club Classico arbeitete, hatte sie immer wieder die zwielichtigen Gestalten bemerkt, die in Carlos Büro ein und aus gingen. Aber sie hatte vor allem die Augen verschlossen. Ich habe den Kopf in den Sand gesteckt, dachte sie voller Abscheu über ihr eigenes Verhalten.
    Tief in ihrem Inneren hatte sie durchaus ein gewisses Unbehagen gespürt, aber sie hatte sich geweigert, diesem Gefühl auf den Grund zu gehen. Nach allem, was Carlo für sie getan hatte, kam sie sich wie eine Verräterin vor, wenn sie dieses Misstrauen verspürte.
    Sieh dir doch an, wohin dich dein Wegsehen gebracht hat!
    O Gott, sie konnte es nicht fassen.
    “Du hast auf mich geschossen! Jesus Christus, Carlo! Warum denn bloß? Ahhhh, verdammt, meine Knie! Meine Knie!”
    Carlo Giovessis weiße Strähne und das markante Gesicht verliehen ihm das Erscheinungsbild eines würdevollen Patriarchen, sogar dann, wenn er sich amüsierte, was sein schwaches Lächeln noch beängstigender wirken ließ. “Spiel keine Spielchen mit mir, Frank. Du weißt genau, warum. Du hast mich bestohlen, und das kann ich nicht durchgehen lassen.”
    Ohne den Blick von Frank zu nehmen, schnippte Carlo mit den
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