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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
Autoren: Jodi Picoult
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breitete die Arme aus. »Ungewollte Geburt … ungewollte Geburt … Allein es auszusprechen, ist schon unangenehm, nicht wahr? Doch die Klägerin sagt, ihre Tochter – ihr schönes, kluges, geliebtes kleines Mädchen – hätte gar nicht leben dürfen. Ihre Mutter übergeht Willows positive Eigenschaften und sagt, die seien nichts im Vergleich zu der Tatsache, dass sie Osteogenesis imperfecta hat. Doch Sie haben die Experten gehört, und die haben eingeräumt, dass Piper Reece als Ärztin keineswegs nachlässig gewesen ist. Tatsächlich hat Piper sogar sofort getan, was notwendig war, kaum dass sie eine Komplikation bemerkt hat: Sie hat sich an eine Spezialistin gewandt. Und dafür, Ladys und Gentlemen, hat die Klägerin ihr das Leben ruiniert. Sie musste ihre Praxis aufgeben, und Charlotte O’Keefe hat ihr das Selbstvertrauen genommen.«
    Er hörte auf, vor den Geschworenen auf und ab zu laufen. »Sie haben Dr. Rosenblad etwas sagen hören, was wir alle wissen: Eine Wunschschwangerschaft abzubrechen ist für niemanden die erste Wahl. Wenn die Eltern allerdings vor einem Fötus stehen, der sich zu einem schwerstbehinderten Kind entwickeln könnte, sind alle Wahlmöglichkeiten schlecht. Wenn Sie für die Klägerin entscheiden, kaufen Sie ihr ihre falsche Logik ab: nämlich dass man ein Kind so sehr lieben kann, dass man eine Ärztin verklagt – eine enge Freundin –, weil man glaubt, dieses ach so geliebte Kind wäre besser nicht geboren worden. Mit so einem Urteil würden Sie ein System unterstützen, in dem Ärzte entscheiden, bei welchen Behinderungen ein Leben lebenswert ist und bei welchen nicht. Und damit, meine Freunde, würden wir einen ganz gefährlichen Weg beschreiten. Was für eine Botschaft würden wir damit Menschen vermitteln, die täglich mit ihrer Behinderung leben müssen? Ab welchem Behinderungsgrad soll ein Leben als lebensunwert betrachtet werden? Gegenwärtig entscheiden sich neunzig Prozent der Patientinnen, bei deren Fötus das Downsyndrom diagnostiziert wird, für eine Abtreibung, obwohl es Tausende von Menschen mit Downsyndrom gibt, die ein glückliches und erfülltes Leben führen. Und was passiert, wenn die Wissenschaft weiter fortschreitet? Werden Patienten abtreiben, weil das Kind irgendwann einmal Herzprobleme bekommen könnte? Oder schlechtere Schulnoten? Und was ist mit denen, die nicht wie Supermodels aussehen?«
    Er kehrte zum Tisch der Verteidigung zurück. »Ungewollte Geburt, Ladys und Gentlemen … Dieses Konstrukt geht davon aus, dass jedes Baby perfekt sein sollte, und das ist Willow O’Keefe nicht. Aber ich bin auch nicht perfekt. Und auch nicht Miss Gates. Noch nicht einmal Richter Gellar ist perfekt, obwohl ich zugeben muss, dass er nah dran ist. Ich wage sogar zu behaupten, dass Sie alle irgendwo Ihre Fehler haben. Also bitte ich Sie, eingehend darüber nachzudenken, bevor Sie Ihr Urteil fällen«, sagte Booker. »Schauen Sie sich diese Klage an, und treffen Sie die richtige Wahl.«
    Als er sich wieder setzte, erhob sich Marin Gates. »Welche Ironie, dass Mr. Booker von ›Wahl‹ spricht, denn genau die hat man Charlotte O’Keefe verweigert.«
    Sie stand hinter Charlotte, die den Kopf gesenkt hielt. »In diesem Fall geht es nicht um Religion, und es geht auch nicht um Abtreibung. Es geht nicht um die Rechte Behinderter, und es geht nicht darum, ob Charlotte O’Keefe ihre Tochter nun liebt oder nicht. Es geht um keine dieser Fragen, auch wenn die Verteidigung Ihnen das gerne einreden will. Es geht in diesem Fall nur um einen einzigen Punkt: Hat Dr. Piper Reece Charlotte O’Keefe während ihrer Schwangerschaft korrekt und dem Standard entsprechend betreut?«
    Nach all dieser Zeit und nach all diesen Zeugen konnte ich mir die Frage selbst nicht beantworten. Auch wenn ich auf der Ultraschallaufnahme aus der achtzehnten Woche einen Grund zur Sorge entdeckt hätte, ich hätte schlicht dazu geraten abzuwarten, wie sich das entwickelt … und der Ausgang wäre ohnehin derselbe gewesen. So hatte ich Charlotte wenigstens mehrere Monate Angst erspart. Aber machte mich das zu einer guten oder zu einer nachlässigen Gynäkologin? Vielleicht hatte ich bei Charlotte einfach etwas vorausgesetzt, und zwar, weil ich sie zu gut kannte. Bei einer anderen Patientin hätte ich das nicht gemacht. Vielleicht hätte ich genauer hinsehen sollen.
    Und wenn ich das getan hätte, wäre die Klage meiner besten Freundin vielleicht nicht so ein Schock gewesen.
    »Sie haben die Beweise
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