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Zeit des Aufbruchs

Zeit des Aufbruchs

Titel: Zeit des Aufbruchs
Autoren: Raymond E. Feist
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vorgesehen habt für uns, die in diesem unglückseligen Haus gedient haben.«
    »Nicht ich bin es, die über ihr Schicksal zu bestimmen hat«, flüsterte Mara, immer noch erschüttert über die Leichen der Kinder.
    Incomo schaute auf, Leere in seinen dunklen Augen. »Lady, mein ehemaliger Herr ordnete an, daß alle Blutsverwandten zum Heim ihrer Ahnen kamen. Er befahl jedem Verwandten, in seinem Beisein Frau und Kinder zu töten und sich dann ins Schwert zu stürzen. Doch er wartete bis vor einer Stunde, als er hörte, daß Ihr den Boden der Minwanabi betreten hattet, bevor er seine eigene Familie tötete. Erst dann, als sie tot waren, stürzte er sich in die Klinge.« Incomo zitterte in erbärmlicher Furcht und führte die letzte Pflicht aus, die sein Herr ihm aufgetragen hatte. »Lord Tasaio bat mich, Euch zu sagen, daß er seine Kinder lieber in der Halle des Todes sieht als in einem Haus der Acoma.«
    Entsetzen ergriff Mara. »Dieses mörderische Tier! Seine eigenen Kinder!« Blinde Wut schüttelte sie, machte dann aber der Trauer Platz, als sie wieder die kleinen Körper des Jungen und des Mädchens auf der Bahre betrachtete. »Gewährt ihnen alle Ehren«, sagte sie weich. »Ein großer Name wurde heute ausgelöscht.«
    Incomo verbeugte sich. »Ich bin Euer Sklave, Mistress, denn ich habe meinen Herrn im Stich gelassen. Doch ich bitte Euch, zeigt Erbarmen, denn ich bin alt und eigne mich nicht zur Arbeit. Gestattet mir den Segen eines ehrenvollen Todes.«
    Mara schnaubte beinahe vor Wut. »Nein!« Ihre Augen schienen sich in den verwirrten Mann zu bohren, als sie ihn anschrie: »Steh auf!«
    Ihre unschickliche Gefühlsäußerung erstaunte Incomo.
    Mara konnte den Anblick seiner unterwürfigen Haltung keine Sekunde länger ertragen. Sie packte seinen Arm mit einem überraschend festen Griff und zog den älteren Berater hoch. »Ihr wurdet niemals von Tasaio in die Sklaverei verkauft, nicht wahr?« Incomo konnte nicht sprechen, so verblüfft war er. »Ihr wurdet niemals von einem kaiserlichen Hof in die Sklaverei befohlen, nicht?«
    »Nein, Lady, aber –«
    »Wer nennt Euch einen Sklaven?« Ihre Abscheu war nahezu greifbar, als sie den alten Mann dahin zog, wo ihr eigener Berater stand. Sie wandte sich an Saric, der jetzt das offizielle Gewand eines Beraters trug. »Eure Ausbildung unter Nacoya wurde bedauerlicherweise unterbrochen. Nehmt diesen Mann als ehrenvollen Assistenten und hütet ihn gut. Sein Name ist Incomo, und wie alle von Tasaios früheren Feinden bezeugen können, ist er ein fähiger Ratgeber.«
    Der alte Mann starrte mit offenem Mund auf seine neue Herrin, die ihn erstaunlich freundlich anlächelte. Sie blickte von seinem verblüfften Gesicht zu dem beinahe ironisch lachenden Saric und meinte: »Wenn Ihr den Ehrgeiz habt, mein Erster Berater zu werden, solltet Ihr auf das hören, was immer dieser alte Mann Euch zu sagen hat.«
    Mara wandte sich um, und der ehemalige Berater der Minwanabi fragte: »Was hat das zu bedeuten, Herr?«
    Saric kicherte leise. »Ihr werdet erkennen, daß unsere Herrin die Dinge auf ihre eigene Weise sieht, Incomo. Ihr werdet außerdem feststellen, daß sie Euch ein neues Leben gegeben hat.«
    »Aber einen Sklaven befreien?«
    Bei diesen Worten fuhr Mara wütend herum. »Ihr seid niemals zu einem Sklaven erklärt worden! In meinem Haus werdet Ihr das auch niemals. Es war die Tradition, die aus Freien Sklaven machte, wenn die Herrschenden fielen, nicht das Gesetz! Und jetzt dient mir anständig und beendet diese Diskussion.«
    Als sie weiterging, wölbte Saric die Brauen in der typischen Weise, in der er seine Erheiterung zeigte. »Sie ist die Gute Dienerin des Kaiserreiches. Wer kann da schon nein sagen, wenn sie wieder mal eine Tradition ändert?«
    Incomo konnte nur stumm dastehen. Die Vorstellung, unter einer Herrin zu arbeiten, die nicht mit einer Veranlagung oder einer ungesunden Lust zur Grausamkeit geschlagen war, schien wie eine Vision der Vollkommenheit, die direkt von den Göttern gesandt worden war. Er war unsicher, ob er träumte, und schüttelte verwundert den Kopf. Der alte Mann hob die Hand und stellte schockiert fest, daß ihm Tränen über die Wangen liefen. Er zwang sich wieder zu einer ehrenvollen, ausdruckslosen Miene, als er Saric flüstern hörte: »Wenn man sich bereits mit dem Tode abgefunden hat, ist ein neues Leben ein ziemlicher Schock, was?«
    Incomo konnte nur sprachlos nicken, als Mara ihre Aufmerksamkeit wieder den Priestern Chochocans
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