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Zeit der Wut

Zeit der Wut

Titel: Zeit der Wut
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Theoretikern der
shock economy
ausgegeben worden war. Alle wissen, dass Katastrophen, sowohl Naturkatastrophen als auch vom Menschen ausgelöste Kriege, den Eliten Reichtum bescheren. Und alle nehmen das hin. Weil sie davon träumen, ein Teil der Elite zu sein. Das ist zutiefst in der menschlichen Natur verwurzelt. Weil wir den verschiedenen Naomi Kleins auf der ganzen Welt Informationen liefern und weil wir wollen, dass sie verbreitet werden. Sowie Jordan Mechner sich einen Spaß daraus gemacht hat, den intelligentesten Spielern, den
happy few
, zu erklären, wie man sein eigenes Spiel am besten austrickste.
    3.15 Uhr. Die sechs Männer nähern sich dem Einkaufszentrum. Fünf davon schleudern den mit Drogen vollgepumpten Araber gegen eine Mauer und verpassen ihm einen Maschinengewehrsalve. Auf ein Zeichen Mastinos hin zieht Perro eine halbautomatische Makarov mit herausgefeilter Registriernummer und gefüllt mit Giulio-Fiocchi-Patronen, die aus einem Heeresmagazin gestohlen worden sind, und erledigt Inspektor Marco Ferri mit einem Schuss in die Stirn. Dann drückt man Refats Leiche die Waffe in die Hand, und Mastino alarmiert mit aufgeregter Stimme das Einsatzzentrum. Die erste ANSA-Nachricht geht um 3.50 Uhr hinaus. Ein Selbstmordattentäter ist aufgespürt worden: Er hatte sich im Einkaufszentrum Porta di Roma versteckt, um sich am Tag darauf mitten in der Menge in die Luft zu sprengen. Alle Medien dieses und des anderen Teils der Welt würden das Bild des zerfetzten Leichnams des Schiiten zeigen, der in Rom ein Blutbad anrichten wollte. Und Millionen, Milliarden Bürger auf dieser und auf der anderen Seite der Erde würden einen nicht zu unterdrückenden Schauer der Angst verspüren. Und sie würden einen Dank an die unsichtbaren Wächter der Sicherheit richten. Und sie würden bereit sein, wieder ein Stück ihrer illusorischen Freiheit zu opfern. Und das Theater der Angst hätte wieder einmal eine als Tragödie inszenierte Farce dargeboten, begleitet vom tosenden Applaus der ganzen Welt.
    Der Kommandant war immer schon der Meinung gewesen, dass der 11. September ein richtig gutes Geschäft gewesen war. Denn einige grundlose Gerüchte gehörten aus der Welt geschafft. Osama und seine Jungs hatten alles allein gemacht. Das war ihnen gelungen, weil man sie unterschätzt hatte. Man hatte sie unterschätzt, weil man den Grad der Wachsamkeit auf gefährliche Weise gesenkt hatte und die großen Nationen kaum noch Geld für Sicherheit ausgegeben hatten. Die Gerüchte über das angeblich jüdische Komplott, das Geheimnis des nie gefundenen Flugzeugs, der satanische Plan, von dem sich Internetfreaks nährten … die übliche, bewährte Technik: Nach allen Regeln der Kunst in Umlauf gesetzte Gerüchte. Sie gaben den Anschein von Dialektik. Seht ihr, wie demokratisch wir sind? Und in der Zwischenzeit kam es zu einer Wiederaufnahme. Einer energischen Wiederaufnahme als Folge des heilsamen Schocks. Osama hatte alles allein gemacht, gewiss, aber wenn nicht, hätte man selbst auf etwas Ähnliches zurückgreifen müssen. Osama. Der auf beunruhigende Weise dem schrecklichen Kämpfer aus
Prince of Persia
ähnelte … mittlerweile war die Situation klar. Dank der neuen Form der Angst schloss sich der Kreis, der vor zwei Jahrhunderten mit der Französischen Revolution begonnen hatte, und die Welt nahm ihre Fahrt auf den alten Geleisen wieder auf. Osama war es auch zu verdanken, dass das radikale und demokratische Gedankengut an einem Tiefpunkt angelangt war. Und die Tradition nahm den Platz ein, den sie immer schon innehatte.
    Der Kommandant war kein Söldner. Alissa log nicht, wenn sie über ihn sprach. Der Kommandant beanspruchte, den richtigen Platz in einer richtigen Welt einzunehmen. In einer geordneten.
    Inzwischen war die Zeit vergangen, und er hatte noch kein Zeichen erhalten. Hatte es vielleicht irgendeinen Zwischenfall gegeben?
    Das Handy klingelte.
    – Hallo, mein Alter. Erkennst du mich? Ich habe den Eindruck, dass die Dinge nicht ganz so gelaufen sind, wie du es dir vorgestellt hast.
    Als der Kommandant Lupos spöttische Stimme hörte, konnte er den Ärger nicht unterdrücken.
    Das Glas in seiner Hand flog gegen die Wand und zerbrach.

3.
    Marco zitterte noch immer. Das Ganze hatte nur ganz kurz gedauert. Ein paar Minuten. Die sein Leben gerettet hatten. Endlich hatte er das Richtige getan. Auf der richtigen Seite. Die WUT war besiegt worden. Als er mit Mastino und den anderen ins Porta di Roma gekommen war, hatte er
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