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Zeit der Wut

Zeit der Wut

Titel: Zeit der Wut
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Theater nur ein leerer, unnützer Raum.
    – Aber es gäbe noch eine andere Möglichkeit, protestierten Daria und Marco gleichzeitig. Die ganze Wahrheit sagen. Einen Prozess anstrengen. Das ganze Netzwerk offenlegen, das …
    – Sagen wir es so: Es gibt einen Haufen Leute, die noch nicht bereit sind für die Wahrheit.
    – Da liegen fünf Leichen, erwiderte Marco, der am liebsten laut geschrieen hätte. Was sagen wir? Dass sie Selbstmord begangen haben?
    – Es wäre besser, wenn sie sich ergeben hätten … wir könnten sagen, dass Kommissar Mastino und seine Männer in eine Falle von versprengten Elementen der Pilić-Bande, die das Massaker vor drei Monaten überlebt haben, gelockt worden sind … oder auch, dass ihre Autos in einen Unfall verwickelt wurden. Ein Brand ist ausgebrochen. Die Leichen sind entstellt und unkenntlich. Irgendwo gibt es einen Tankwagen voller Butan. Ein armer Teufel hat ihn geklaut und ist in das Auto der fünf tapferen Jungs von der Anti-Terror-Truppe gekracht.
    – Und was ist mit dem Kommandanten?
    Diese Frage lag schwer auf ihrem Schweigen, bis sie Ciampino erreichten. Der Kommandant, der von zwei bewaffneten Bodyguards bewacht wurde, stand am Rande der Landebahn, gegenüber dem Gebäude der Allgemeinen Luftfahrt, ungefähr fünfzig, vielleicht sechzig Meter von einem Learjet mit laufendem Motor entfernt. Als er sie kommen sah, schlug er mit spöttischer Geste den Mantel auf. Seht ihr? Ich bin unbewaffnet … Lupo gab Daria und Marco den Befehl, sich nicht von der Stelle zu rühren. Wäre jemand neben ihm über das Rollfeld gegangen, hätte er gehört, wie er leise, bitter sagte: „Genau wie der Trottel am Ende von
Casablanca
.“
    Die beiden Männer begrüßten sich und fingen eine Unterhaltung an. Der Kommandant deutete spöttisch eine Verbeugung an. Lupo zuckte mit den Achseln, wie resigniert. Der Kommandant zündete sich eine Zigarette an. Lupo zeigte auf einen Punkt in der Ferne, auf die Hügel im Hintergrund, die im Licht des Morgengrauens purpurfarben glühten. Der Kommandant wählte eine Nummer am Handy, und nach einem kurzen Wortwechsel gab er Lupo das Telefon. Lupo hörte ein paar Sekunden lang zu, dann gab er es zurück. Der Kommandant schlug militärisch die Hacken zusammen und stieg ins Flugzeug. Während das Flugzeug abhob, warf Lupo seinen Mitarbeitern einen wütenden Blick zu.
    – Der Erste, der auch nur ein Wort sagt, wird nie mehr mit mir zusammenarbeiten …

4.
    Drei Tage später, als Marco sein neues Büro in der Sektion Inneres bezog, die Veteranen ihn willkommen hießen und mit einem Prosecco um drei Euro fünfzig auf ihn anstießen, betraten Daria und Lupo ein Wohnhaus im Pariser Stadtviertel Marais, wo sich hinter der unauffälligen Fassade einer Handelsfirma ein ausgelagertes Büro der französischen Anti-Terror-Einheit fand. Sie wurden von einem kleinen jungen Mann, mit dicken Brillengläsern und dem Aussehen eines Universitätsassistenten, empfangen, der infolge einer Überdosis Bürokram früh ergraut war. Leibniz stand auf und drückte Lupo schwungvoll die Hand, wobei er Daria einen bewundernden Blick zuwarf.
    – Professor Spinoza lässt Sie herzlich grüßen, Doktor Lupo.
    – Lassen Sie ihn ebenfalls herzlich grüßen, Doktor Leibniz. Und ich hoffe, wir werden gemeinsam einen Ausweg aus dieser … einzigartigen Situation finden.
    – Gewiss. Es passiert einem ja nicht jeden Tag, dass man einen Toten festnimmt.
    Im Keller des Gebäudes, in einer kahlen, schalldichten Zelle, rieb sich Guido das Handgelenk, das er sich bei dem Handgemenge in Tolbiac verstaucht hatte. Die Hand, mit der er Rossanas Hand gepackt und die Flugbahn des Projektils abgelenkt hatte, das ihm sonst die Brust durchschlagen hätte. Als sie zwei Nächte davor aufgetaucht war, war Guido bereits auf die Begegnung vorbereitet gewesen. Inzwischen hatte er verstanden, dass es nur eine mögliche Erklärung für das Vorgefallene gab, und das war die Erklärung des Barons. Ein tiefes Unbehagen hatte sich seiner bemächtigt. Er hatte beschlossen aufzugeben. Sollten sie ihn doch schnappen. Sollten sie ihn doch umbringen. Er hatte alles falsch gemacht. Und es gab keinen Ausweg. Aber als er sie vor sich gesehen und sich einen Augenblick lang in ihren kalten Augen gespiegelt hatte, in denen er sogar einen Anflug von Verachtung gesehen hatte, war eine dumpfe Wut an die Stelle der Resignation getreten. Eine Art Wut, von der er sich nie hätte vorstellen können, sie zu besitzen.
    – Ich bringe
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