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Zeit der Wut

Zeit der Wut

Titel: Zeit der Wut
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Tasche. Den ganzen Nachmittag ging sie auf der Faubourg Saint-Honoré shoppen. Am Abend begab sie sich nach Belleville. Sie trug eine schwarze Perücke, eine verspiegelte Brille, Schuhe mit Absätzen, die sie mindestens sieben Zentimeter größer machten, einen beigefarbenen Trenchcoat, ein Hermèstuch. Inmitten der anderen Bobos, die die Lokale des Quartiers bevölkerten, ließ sie sich von einem angehenden Bühnenbildner mit gallischer Kinnlade und ungepflegten Haaren hofieren, und zu seiner großen Freude willigte sie ein, sich von ihm auf einem Spaziergang durch „das älteste volkstümliche Viertel von Paris, wo Paris
toujours Paris
ist“ begleiten zu lassen. Der große, weißhaarige Typ, der der Beschreibung nach Serge war, saß in einer lauten Kneipe an einem Tisch. Er nippte an einem Bier, und neben ihm saß Guido. Er war abgemagert, trug einen ölverschmierten Mechanikeroverall und schien unendlich traurig zu sein. Sie überredete ihren Begleiter, in diesem Lokal, das
très branché
war,
un verre
zu trinken, und als Serge und Guido gingen, ließ sie ihnen ein paar Minuten Vorsprung, bevor sie den jungen Verführer stehen ließ und ihnen folgte. Guido hatte ihr beim Vorbeigehen nicht einmal einen Blick zugeworfen. Die Verkleidung funktionierte. Bald würde die Angelegenheit erledigt sein. Sie folgte ihnen über die ganze Rue de Belleville, dann in die Metro, wobei sie sehr darauf achtete, dass sie nicht auffiel. An der Station Tolbiac stiegen sie aus, gingen über die Brücke und betraten das Quartier. Die beiden vor ihr unterhielten sich angeregt. Sie hätte gerne gewusst, worüber sie sprachen, wagte aber nicht, sich noch weiter zu nähern. Es war auch egal … schließlich umarmte Serge den Jungen, der in einem Haustor verschwand, einem von vielen auf der Rue de Tolbiac. Im zweiten Stock links ging in einem Zimmer Licht an. Serge blieb stehen und betrachtete die spärlichen nächtlichen Spaziergänger, dann ging er pfeifend weg. Alissa wartete noch eine Stunde, dann montierte sie den Schalldämpfer und ging los.

2.
    Der Kommandant saß auf auf einer bequemen Chaiselongue und nippte an einem Single-Malt-Whisky: Bruichladdich
cask proof
, um genau zu sein. Im Hintergrund die herzzerreißende Arie
Tu che a Dio spiegasti l’ali
aus
Lucia di Lammermoor
, in der von Maestro Roberto Abbado dirigierten Version, nach der originalen Partitur mit Glasharmonika. Der x-te Tribut an den italienischen, europäischen Genius, an den Geist der einzigen und wahren Kultur, mit einem Wort. Der Koffer stand schon bereit. Das Flugzeug, das er für Kurzstrecken benutzte, wartete bereits auf einer Landebahn der Allgemeinen Luftfahrt auf dem Flughafen von Ciampino. Während er auf den Anruf wartete, in dem man ihm mitteilten würde, dass die Operation ausgeführt worden war, stellte sich der Kommandant den Ablauf in Realzeit vor.
    2 Uhr. Mastino, Perro und Sottile erreichen das Lager. Sie befreien Refat von den Fesseln, injizieren ihm eine bestimmte Dosis eines Medikaments auf der Basis von Scopolamin und Adrenalin, verstärkt durch eine Psilocin-Tinktur, dann schnallen sie ihm einen Kamikazegürtel mit Tritolpaketen, Kabeln und Sprengkapsel um. Sottile macht einen Zweihundert-Watt-Scheinwerfer an und nimmt Refat mit einer alten Kamera auf: dem Kommandanten zufolge wäre es nämlich ein Fehler gewesen, ein moderneres Modell zu verwenden. Mastino drückt dem Araber die Proklamation in die Hand. Außerhalb des Bildfelds drückt ihm Perro die Pistole in den Nacken. Refat beginnt zu lesen, benommen von den Drogen. Nach den rituellen Hasstiraden auf den Westen und den Lobreden auf den bewaffneten Kampf erklärt er, dass er die ehrenvolle Aufgabe hat, den Akt der Gerechtigkeit auszuführen, den sich die schiitischen Brüder aus dem Iran ausgedacht haben. Und er kündigt an, dass er sich binnen weniger Stunden mitten im Einkaufszentrum Porta di Roma in die Luft sprengen wird. Im selben Augenblick warten Rainer, Corvo und Inspektor Marco Ferri, die bereits im Einsatz sind, an Bord eines Autos mit zivilem Kennzeichen auf Mastinos Signal.
    Die Operation war zu Ehren eines genialen jungen Mannes namens Jordan Mechner
Prince of Persia
genannt worden, der zwanzig Jahre zuvor ein gleichnamiges Videospiel erfunden hatte. Der Feind ist ein riesiger, mit einem bedrohlichen Schwert bewaffneter Araber, der sich in einem Märchenpalast voller Fallen und Fallgruben gemeinsam mit einer Horde von Fanatikern verschanzt, die bereit sind, sich zu
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