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Fey 06: Die Erben der Macht

Fey 06: Die Erben der Macht

Titel: Fey 06: Die Erben der Macht
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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    Matthias fuhr jäh aus dem Schlaf hoch und stöhnte. Brust und Schultern schmerzten, seine Augen waren verklebt, und sein Mund fühlte sich an, als hätte er Baumwolle gegessen. Blinzelnd versuchte er, wach zu werden und herauszufinden, was ihn geweckt hatte.
    Irgend etwas war anders.
    Die Kerze war bis zum Ende des Dochts heruntergebrannt, ihr Licht flackerte unruhig. In dem fensterlosen Zimmer herrschte völlige Dunkelheit. Er spähte durch die geöffnete Tür. Neben dem Stickrahmen brannte eine zweite Kerze, aber von Marly war nichts zu sehen.
    Er stützte sich auf den Ellenbogen und verzog das Gesicht, als sich die neue Haut schmerzhaft über den Wunden spannte. Mit der rechten Hand rieb er sich den Schlaf aus den Augen. Seine Finger fühlten sich klebrig an. Nach dem Sturz in den Fluß hätte er unbedingt ein Bad nehmen sollen. Wer konnte schon wissen, welcher Unrat im Wasser trieb?
    Ein Rascheln im Nebenraum erregte seine Aufmerksamkeit. Er schlug die Decken zurück. Abgesehen von den Verbänden war er vollständig nackt. Im dämmrigen Licht sahen seine Beine spindeldürr aus, Oberschenkel und Waden waren mit Prellungen übersät. Bei dem Versuch, ihn zu ertränken, hatte die Fey-Frau ihn kräftig mit den Füßen bearbeitet.
    Er konnte von Glück sagen, daß er noch am Leben war.
    Neben dem Kamin bewegte sich ein Stück der hölzernen Wandverkleidung. Matthias zog die Decke bis zum Hals und sah sich nach seiner Hose um, konnte sie aber nirgendwo entdecken. Sein Herz pochte. Er wußte nicht, wie widerstandsfähig er schon war.
    Und wieviel Kraft er noch sammeln mußte.
    Mit leisem Knirschen schloß sich die Tür. Marly trat heraus. Offenbar hatte ihn ihr Eintreten geweckt.
    Etwas stimmte hier nicht.
    Als sie ihn erblickte, legte sie den Finger an die Lippen. Er nickte. Dann arretierte sie die Tür mit einem Ziegelstein und nahm einen Korb, der vor dem Kamin stand.
    »Neben dem Bett liegen Männerkleider«, flüsterte sie. »Ich wollt’ Eure noch saubermachen, aber ’s war keine Zeit nit mehr.«
    Welche Sorte Frauen hatte Männerkleidung neben dem Bett? Darüber wollte Matthias jetzt lieber keine Vermutungen anstellen. Er versuchte, aus dem Bett zu schlüpfen, ohne dabei die Decke fallen zu lassen.
    »Braucht Euch gar nit geniern«, sagte sie. »Beeilt Euch lieber.«
    Er hatte ohnehin keine Kraft, um sich weiter zu zieren. Er ließ die Decke fallen und hockte sich mit zitternden Beinen hin. Falls er sich je gefragt hatte, wie nahe er dem Tode gewesen war – jetzt hatte er die Antwort darauf bekommen. Es war schon zuviel für ihn, aus dem Bett zu steigen und sich hinzusetzen.
    »Los, beeilt Euch doch!« drängte Marly.
    Zwischen Bett und Wand lagen verschiedene umgestürzte Truhen. Matthias öffnete eine davon und entnahm ihr ein weiches blaues Hemd und eine braune Hose, die in der Taille geschnürt wurde. Dann ergriff er ein Paar Stoffschuhe neben dem Bett.
    »So beeilt Euch doch!«
    Matthias gehorchte. Er erhob sich, schwankte und wäre fast gefallen.
    »Keine Zeit mehr zum Anziehn«, sagte Marly. »Hier rein mit Euch.«
    Ohne sich darum zu kümmern, wie schwindlig ihm war, trug er die Kleider quer durch den Raum. Er legte eine Hand auf den Kaminsims und wäre fast durch die geöffnete Tür gestolpert, wenn Marly ihn nicht rechtzeitig gestützt hätte. Dann schob sie den Ziegelstein mit dem Fuß beiseite, und die Tür klappte hinter ihnen zu.
    Matthias hatte sich noch niemals in so undurchdringlicher Dunkelheit befunden.
    Marly nahm ihn an der Hand. »Ihr müßt jetzt ganz stille sein«, befahl sie. »Wenn wir ein gutes Stück vom Tunnel hinter uns ham, zünd’ ich ’ne Laterne an. Bis dahin müssen wir im Dustern gehn.«
    »Kann ich mich anziehen?« fragte er. Er wußte nicht genau, ob er gleichzeitig gehen und seine Kleider tragen konnte.
    »Macht bloß schnell.«
    Sie ließ ihn los. Sofort fehlte ihm ihre Wärme. Er lehnte sich gegen die warme Wand, die an den Kamin grenzte, und streifte die Hosen über. Dann zog er sich das Hemd über den Kopf. Er hatte noch nie zuvor so weichen Stoff getragen.
    Auch die Schuhe waren weich, aber die verstärkten Sohlen schützten ihn vor allem, worauf er möglicherweise treten mußte. Als er sich angezogen hatte, tastete er in der Dunkelheit nach Marly. Seine Finger berührten den kostbaren Stoff ihres Kleides. Dann schob sie ihre Hand auch schon in seine.
    Ihre Finger waren warm und trocken, ihr Griff fest. Langsam, Schritt für Schritt, führte sie ihn
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