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Fey 06: Die Erben der Macht

Fey 06: Die Erben der Macht

Titel: Fey 06: Die Erben der Macht
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Bewußtsein.

 
2
     
     
    Titus, der eben noch aus dem Fenster geblickt hatte, wirbelte herum. Eilig durchquerte er mit wild pochendem Herzen sein Zimmer und wäre dabei fast an die reichverzierten Möbel gestoßen.
    Viele Fey umringten den Tabernakel, strömten in die Stadt. Eine neue Invasion. Und Titus war jetzt Rocaan. Es war seine Aufgabe, sich um das Weihwasser zu kümmern.
    Allein das Weihwasser konnte die Inselbewohner retten.
    Er rannte auf den Flur und sah sich nach einem Aud um, nach irgendwem. Aber der Flur war menschenleer. Nur die Fackeln der Nachtbeleuchtung brannten noch.
    Er wußte, wo er die anderen finden würde. An den Fenstern.
    Im Glauben, sie blickten auf ein Wunder.
    Titus eilte den Flur entlang und hastete, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinab. Die Anstrengung machte sich sofort in seinen Knien bemerkbar. Seine schlechte körperliche Verfassung überraschte ihn. Er fühlte sich nicht viel älter als der Neunzehnjährige, der damals Rocaan geworden war.
    An einem Fenster des Treppenabsatzes standen fünf Geistliche. Titus packte Lindo am Arm, dessen schwarze Samtrobe herumwirbelte, als er sich umdrehte. Lindo war einer der amtierenden Geistlichen, die den Sprung zum Ältesten nicht geschafft hatten, seither dem Tabernakel jedoch immer sehr gute Dienste als Geistlicher geleistet hatte. Seine schmalen Augen weiteten sich, als er Titus sah.
    »Es ist ein Wunder, Heiliger Herr!« stammelte er.
    Titus hatte keine Zeit zu diskutieren. »Die Ältesten sollen sofort in meine Gemächer kommen. Alle Türen müssen verriegelt werden. Laßt den Bestand an Weihwasser von zwei Leuten überprüfen und erstattet mir dann Bericht.«
    »Heiliger Herr …«
    »Ach ja«, fügte Titus hinzu, »öffnet die Katakomben und schafft soviel Vorräte hinein, wie ihr könnt. Weihwasser eingeschlossen.«
    »Was sagt Ihr, Heiliger Herr?«
    »Das hier ist kein Wunder«, erwiderte Titus. »Das sind die Fey. Und jetzt macht euch an die Arbeit.«
    Schockiert hatten sich die anderen Geistlichen umgewandt. Sie sahen verwirrt aus. Rusel befand sich ebenfalls unter ihnen. Seine behäbige Gestalt zitterte. »Heiliger Herr, wenn das hier die Fey sind …«
    »Dann bleibt uns nicht mehr viel Zeit«, ergänzte Titus.
    »Sollten wir nicht gleich Weihwasser über sie gießen? Sie aufhalten, bevor sie Unheil anrichten?«
    »Haben sie uns denn bedroht?« fragte Titus. »Soweit ich verstanden habe, sitzen sie seit heute morgen einfach nur dort draußen herum.«
    »Ja, Heiliger Herr.«
    »Also haben wir keine Veranlassung, sie anzugreifen. Wir haben schließlich einen Waffenstillstand mit ihnen geschlossen, oder habt ihr das vergessen?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg er eilig die Treppe wieder hinauf. Die Tür zu seinen Räumen stand genauso offen, wie er sie zurückgelassen hatte. Mit klopfendem Herzen trat er ein. Rusel hatte einen guten Vorschlag gemacht. Einfach angreifen. Aber das konnte Titus nicht. Matthias wäre dazu fähig gewesen. Aber Titus kannte Gottes Gebote und achtete sie. Ein Mensch ist soviel wert wie sein Wort, hieß es in den Geschriebenen und Ungeschriebenen Worten. Und an anderer Stelle stand: Ein gebrochenes Versprechen ist wie vergessenes Vertrauen. Und noch einmal: Das Versprechen ist der feierliche Eid des Menschen, geschlossen zwischen sich selbst, einem anderen und Gott.
    Vielleicht wäre Matthias dazu fähig gewesen, sein Versprechen zu brechen und seine Bindung an Gott zu lösen. Titus hingegen konnte es nicht.
    Als er in der Mitte seines Zimmers angekommen war, blieb er stehen und schöpfte erst einmal Atem. Er stützte sich dabei so schwer auf eines der samtenen Sofas, daß es plötzlich wegrutschte. Titus hielt es fest und stützte sich erneut auf. Ganz plötzlich stand er vor unlösbaren Schwierigkeiten. Er mußte eine Attacke vorbereiten, ohne daß seine Leute angreifen durften. Und er mußte sie beschützen. Außerdem mußte er auch noch auf das hören, was die Fey zu sagen hatten.
    Er vermutete, daß sie ihm etwas zu sagen hatten. Oder warum hatten sie den Tabernakel umzingelt? Warum nicht sofort mit der Invasion begonnen?
    Er ging auf den Balkon, umklammerte das Holzgeländer und blickte hinunter. Keines dieser Geschöpfe hatte sich von seinem Platz gerührt. Er ging ins Zimmer zurück und zog die Doppeltüren zu. Durch die Ritzen fiel immer noch Sonnenlicht in den Raum. Titus löste einen Vorhang nach dem anderen und ließ ihn herabfallen. Die Fey würden wissen, daß sich irgend
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