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Zeit der Hingabe

Zeit der Hingabe

Titel: Zeit der Hingabe
Autoren: Anne Stuart
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es stand zu befürchten, dass das Mädchen keinen zweiten Mann an sich heranließe. Und die Rohans würden alles daransetzen, einem von der Gesellschaft geächteten Familienmitglied wieder zu Ansehen zu verhelfen.
    Es war Zeit, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dabei war ein hohes Maß an Geduld erforderlich, da ein gebranntes Kind bekanntlich das Feuer scheute und sich entsprechend zieren würde. Ihm blieb indes genügend Zeit, um seine Vergeltung sorgfältig auszuarbeiten.
    Er wollte warten. So lange warten, bis sie und ihre Familie sich in Sicherheit wiegten. Warten, bis seine Pläne ausgereift waren. Warten, bis sein Opfer keine Ahnung hatte, dass sie ein Köder in seinem Spiel der Vergeltung war.
    Erst dann würde er zuschlagen.

2. Kapitel
    Zwei Jahre später
    L ady Miranda Rohan saß am Erkerfenster ihres behaglichen Hauses in der Half Moon Street und blickte trübsinnig in den Regen hinaus. Sie gestand sich nur ungern ihre verdrießliche Stimmung ein, da sie dank ihrer heiteren Veranlagung nahezu jeder Situation positive Seiten abgewinnen konnte und vielfältigen Interessen nachging. Im Alter von dreiundzwanzig war sie an ihrer gesellschaftlichen Ächtung gereift und führte ein unabhängiges und zufriedenes Leben mit dem Rückhalt und der Zuneigung ihrer Familie und enger Freunde. Der gesellschaftliche Bann hatte ihr unerwartete Vorteile beschert. Sie war nicht gezwungen, Einladungen zu eintönigen Soireen anzunehmen und mit unsympathischen Männern zu tanzen, die ihr nur schmeichelten, weil sie es auf ihr Vermögen abgesehen hatten. Sie musste nicht in überfüllten, stickigen Ballsälen herumstehen, bis ihre Füße in engen Seidenpumps schmerzhaft anschwollen, an Gläsern mit überzuckertem Punsch nippen und seichte Konversation führen, bei der es sich meist um hämischen Klatsch handelte, wobei der Klatsch sich auch in dieser Saison vorwiegend um ihre Person drehen würde.
    Nein, darin irrte sie wohl. Es war genügend Zeit verstrichen, um das Interesse an ihrem Fehltritt verblassen zu lassen und sich dem nächsten Skandal zuzuwenden. Sie musste sich nicht länger das überhebliche Urteil anderer anhören, wonach sie sich die Folgen ihres Leichtsinns vor zwei Jahren selbst zuzuschreiben habe. Zugegeben, ihr Verhalten war töricht gewesen, aber nicht verrucht. In den Augen der Gesellschaft waren diese Bezeichnungen allerdings austauschbar, und so hatte Miranda die Konsequenzen zu tragen.
    Normalerweise kümmerte sie sich nicht darum, da sie sich zu zerstreuen und abzulenken wusste. Sie las jedes Buch, das sie in die Finger bekam; wissenschaftliche Abhandlungen, Liebesromane und klassische Literatur gleichermaßen. Sie liebte lange Spaziergänge in der Natur und kannte sich in Fauna und Flora aus. Obgleich ihre Talente in Klavierspiel und Gesang zu wünschen übrig ließen, war sie mit unermüdlichem Eifer bestrebt, in diesen Künsten bessere Resultate zu erzielen. Sie war eine hervorragende Reiterin und konnte mühelos ein Vierergespann lenken. Sie liebte Hunde und Katzen und brachte im Umgang mit Kindern eine Engelsgeduld auf. Sie interessierte sich für Politik, Philosophie und die Schönen Künste.
    Und in diesem Augenblick wäre sie am liebsten vor Langeweile in Tränen ausgebrochen. Ausgerechnet sie, die sich rühmte, Langeweile gar nicht zu kennen.
    „Dieser Winter hört nie mehr auf“, verkündete sie düster und starrte in den trüben nebelverhangenen Nachmittag. Ihr Haus lag nur zwei Straßen vom Anwesen der Rohans entfernt, doch das war ihr kein Trost, da ihre große lärmende Familie nach Yorkshire gereist war, um die Geburt des nächsten Familienzuwachses zu feiern.
    „Er dauert genauso lang wie jeder andere“, erklärte Cousine Louisa gelassen. In ihrer Unerschütterlichkeit war Louisa die ideale Gesellschafterin für eine Geächtete. Ihre Leibesfülle gestattete ihr nur noch zu seltenen Gelegenheiten, das Haus zu verlassen, und ihr lethargisches Wesen wirkte wie Balsam auf Mirandas gelegentliche Gemütsaufwallungen.
    „Ich hätte mit der Familie nach Yorkshire reisen sollen“, sagte Miranda und wippte ungeduldig mit dem Fuß.
    „Und warum hast du es nicht getan? Allein bei der Vorstellung dieser beschwerlichen Reise bekomme ich Hitzewallungen. Aber ich wäre ja nicht gezwungen, dich zu begleiten. Andererseits würdest du nicht ruhelos durchs Haus wandern wie eine Löwin im Käfig.“
    Miranda verzichtete auf den Hinweis, dass auch die Begleitung ihrer ältlichen Cousine nichts
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