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Zeit der Hingabe

Zeit der Hingabe

Titel: Zeit der Hingabe
Autoren: Anne Stuart
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daran änderte, dass sie eine Geächtete blieb – mochten ihre Herkunft und ihr Ruf auch noch so untadelig sein.
    Und es stört mich keineswegs, dachte sie trotzig. Sie fühlte sich lediglich … rastlos.
    Es war enervierend. Nie hätte sie gedacht, dass ihr andere Menschen fehlen würden. Bislang hatte sie sich mit dem Gedanken getröstet, dass ihr gesellschaftlicher Ruin ihr die mühselige Suche nach einem passenden Ehemann ersparte.
    So war es gewesen, bevor sie erfahren musste, was echte Einsamkeit bedeutete. Bevor ihre Welt sich auf ihre Familie, ihre Freundin Jane und die Pagetts sowie ihre lethargische Cousine Louisa beschränkt hatte.
    Und nun hatten alle die Stadt verlassen. Die Gemahlin ihres Bruders Charles stand kurz vor der Niederkunft ihres zweiten Kindes, Benedicks Frau war schwanger, und ihre Eltern waren vollauf mit den Vorbereitungen auf den zu erwartenden Familienzuwachs beschäftigt.
    Natürlich war sie eingeladen worden, die Familie zu begleiten, aber sie hatte unter allerlei Ausflüchten abgelehnt, ohne mit der Wahrheit herauszurücken. Durch Lady Miranda Rohans Anwesenheit drohte sich der Bannfluch auch auf ihre Familie auszuweiten. Die Regeln der Gesellschaft waren unerbittlich, Miranda war eine Geächtete, daran war nichts zu ändern. Also zog sie es vor, sich zurückzuziehen, um ihrer Familie Peinlichkeiten zu ersparen.
    Leider war Cousine Louisa, die zu den unpassendsten Momenten einzudösen pflegte, ein schlechter Ersatz für ihre lebenslustigen Brüder. Auch das hätte sie nicht sonderlich gestört, würde nicht auch noch ihre beste Freundin Jane einen Monat auf dem Lande verbringen.
    „Du solltest etwas gegen deine grässliche Ruhelosigkeit unternehmen“, schlug Cousine Louisa vor und unterdrückte ein Gähnen. „Wieso gehst du nicht in die Bibliothek und holst dir einen neuen französischen Roman? Eine spannende Lektüre würde dich ablenken.“
    „Ich war gestern in der Bibliothek, habe alle Neuerscheinungen bereits gelesen und fand sie allesamt langweilig“, erklärte Miranda seufzend. „Gott, wie grässlich. Ich klinge wie ein verwöhntes kleines Kind, das sein Lieblingsspielzeug verloren hat. Verzeih, Louisa. Ich bin doch sonst nicht so quengelig.“
    Cousine Louisa gähnte hinter ihrem Fächer. „Wie wär’s mit einem Spaziergang?“
    „Es regnet“, erklärte Miranda misslaunig.
    „Tatsächlich?“ Louisa machte sich nicht die Mühe, aus dem Fenster in den grauen Nachmittag zu schauen. „Ist mir gar nicht aufgefallen. Geh ins Theater.“
    „Ich kenne alle Stücke dieser Saison.“ Miranda stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf. „Was ist denn nur los mit mir? Ich bin doch sonst nicht so schlecht gelaunt.“
    „Zugegeben, deine gute Laune kann gelegentlich auch ermüdend sein. Aber im Moment gehst du mir schrecklich auf die Nerven. Du könntest dir die Zeit auch mit Klavierspielen vertreiben, aber ehrlich gestanden, stört dein Geklimper meinen Mittagsschlaf. Unternimm eine Kutschfahrt. Der Regen hat nachgelassen, wie mir scheint. Und wenn es wieder anfängt, kann der Kutscher das Verdeck schließen.“Miranda griff nach diesem Vorschlag wie eine Ertrinkende nach einem Strohhalm. „Genau das werde ich tun, allerdings ohne Begleitung. Ich kann sehr wohl alleine kutschieren, und wenn der Regen wieder einsetzt, schmelze ich nicht wie ein Stück Zucker.“
    Cousine Louisa stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich wünschte, du würdest dich nicht ständig gegen alle Konventionen auflehnen. Die Gesellschaft hat zwar ein gutes Gedächtnis, aber mit der Zeit könnte man dir deinen Fehltritt nachsehen, wenn du dich gesittet benimmst.“
    Wieder die alte Leier, aber Miranda hatte jeden Widerspruch längst aufgegeben. Sie könnte ihr ganzes Leben damit verbringen, Buße zu tun und dankbar für jede versöhnliche Geste der gehobenen Kreise sein, oder ihr neues Leben am Rande der vornehmen Welt genießen, ohne sich ständig rechtfertigen zu müssen. Die Wahl fiel ihr leicht.
    „Nein.“
    Louisa war zu gutmütig und träge, um Einwände zu erheben. „Viel Vergnügen, meine Liebe. Und weck mich bitte nicht, wenn du zurückkommst. Ich schlafe nachts so furchtbar schlecht, dass ich meine Mittagsruhe dringend brauche.“
    In Wahrheit schlief Louisa jede Nacht zwölf Stunden, nicht zuletzt dank ihrer Vorliebe für französischen Cognac, den Benedick ihr besorgte. Und da ihr das Treppensteigen in ihr Schlafzimmer mehr als ein Mal pro Tag zu beschwerlich war, pflegte sie ihren
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