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Zeit der Hingabe

Zeit der Hingabe

Titel: Zeit der Hingabe
Autoren: Anne Stuart
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Wohngegend, wo sich lichtscheues Gesindel in engen dunklen Gassen herumtrieb. Es lag an dem Besitzer dieses Hauses, der ihn erwartete, ihn und seine Ausflüchte, den Auftrag nicht erledigt zu haben, für den er bereits einen Vorschuss erhalten hatte. Der Skorpion, alias Lucien de Malheur, Earl of Rochdale, würde ihn aus dem hohen Lehnstuhl mit farblosen Augen mustern, seine schmalen Lippen verächtlich herabgezogen, eine Hand am Silberknauf seines Stocks, als wolle er einen Mann damit totschlagen.
    Christopher St. John verdrängte schaudernd seine Nervosität. Eisiger Regen stach ihm ins Gesicht. Februar in der Stadt war eine trostlose Angelegenheit. Wäre es nach ihm gegangen, würde er mit Miranda Rohan in einem warmen Bett liegen … hätte dieses Miststück ihm nicht einen Krug über den Schädel geschlagen und sich davongemacht.
    Sie und ihre ganze Sippschaft erwiesen sich als ausgesprochen uneinsichtig, dachte er verbittert und rieb sich gedankenverloren die schmerzende Schulter. Dieses blöde Abenteuer hatte ihm lediglich geprellte Rippen, ein gebrochenes Handgelenk sowie Schürfwunden und Blutergüsse am ganzen Körper eingebracht. Nein, die Rohans würden in naher Zukunft wohl kaum zur Vernunft kommen.
    Er hob die Hand, aber das schwere schwarze Portal schwang auf, bevor er den Messingklopfer bedienen konnte. Leopold, Rochdales finsterer Majordomus, sah voller Missbilligung auf ihn herab.
    Leopold passte vortrefflich ins Bild von Rochdales Absonderlichkeiten. Der Butler war ein klapperdürrer Riese, einer Allegorie des Todes erschreckend ähnlich in seinem schwarzen Anzug, der schlotternd um ihn hing. Jemand hatte ihn einmal mit einer trauernden Giraffe verglichen. Eine ausgesprochen unleidliche Giraffe, nach Christophers Empfinden. Außerdem hatte er einen undefinierbar fremdländischen Akzent, den kein Mensch zu enträtseln wusste. Rochdale hatte den merkwürdigen Gesellen irgendwo auf seinen Reisen aufgegabelt, der ihm seither in unverbrüchlicher Treue diente. Leopold war eines von vielen Rätseln im exzentrischen Leben seines Herrn.
    „Sie werden bereits erwartet“, erklärte Leopold mit Grabesstimme, nahm St. Johns nassen Mantel und Hut entgegen und reichte sie an einen gleichfalls schwarz gekleideten Diener weiter.
    St. John strich sich leise seufzend über den Gehrock aus feinem Tuch, allerdings nicht bei Weston maßgeschneidert, obschon von passablem Zuschnitt, wenn man nicht allzu genau hinsah. Das äußere Erscheinungsbild war in seiner misslichen Lage von großer Wichtigkeit. Wer sich kleidete und benahm, als gehöre er den gehobenen Kreisen an, wurde für gewöhnlich akzeptiert.
    Er folgte Leopold den düsteren Korridor entlang bis in die nicht minder düstere Bibliothek, wo der Earl ihn meistens empfing. Natürlich war er nicht anwesend. Rochdale liebte dramatische Auftritte.
    Im Kamin brannte ein kleines Feuer, das den riesigen Raum kaum erwärmte. Was in aller Welt ein Mensch mit so vielen Büchern anstellte, ging über St. Johns Begriffe. Und diese Unmengen von Büchern mussten vom derzeitigen Earl angeschafft worden sein, da dessen Vorfahr seine gesamten Besitztümer in seinem kurzen, ausschweifenden Leben bis auf den letzten Penny verprasst hatte.
    Er hörte vertraute Geräusche, jene unheimlichen, etwas unregelmäßigen Schritte, begleitet von dem Krückstock, der lauter auf das Parkett stieß, als Rochdales Behinderung es nötig gemacht hätte. Ein unheilvolles Grauen stieg in St. John auf. Die Tür schwang auf, Licht flutete in den Raum.
    „Man hat Sie im Dunkeln gelassen, Christopher?“, gurrte Rochdale und näherte sich in seinem leicht hinkenden Gang. „Wie unaufmerksam von meinem Butler. Vielleicht aber auch mit Vorbedacht. Wie ich höre, besteht keine Veranlassung, den Erfolg unserer Mission zu feiern, wie?“
    Christopher schluckte. „Ich habe mein Bestes gegeben. Aber diese Rohans sind eine völlig verbohrte Bande. Jede andere Familie hätte mich angefleht, das Mädchen zu heiraten. Und jedes andere Mädchen hätte meinen Antrag mit Handkuss angenommen.“
    Rochdale nahm schweigend in einem Sessel vor dem Kamin Platz, seine entstellte Gesichtshälfte lag im Schatten. „Tja, ich habe Sie gewarnt. Die Rohans sind nicht wie andere Leute. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie die Blutergüsse im Gesicht den Brüdern zu verdanken haben?“
    „Und dem Vater. Mein ganzer Körper besteht nur noch aus Prellungen und Wunden.“
    „Verschonen Sie mich damit, mir Ihre Blessuren
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