Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens
Autoren: Cecelia Ahern
Vom Netzwerk:
der roten Sohle. Die fraglichen hatten einen Zwölf-Zentimeter-Absatz.«
    »Zwölf Zentimeter?«, fragte Lou. »Rote Sohle, aha«, fügte er dann hinzu, nickte und versuchte, sich einen Reim auf diese Information zu machen.
    »Sie könnten doch Ihren Freund Querstrich Bekannten Querstrich Kollegen einfach fragen, mit wem er sich getroffen hat«, schlug Gabe mit einem schelmischen Glitzern in den Augen vor.
    Aber Lou ging nicht auf den Vorschlag ein. »Na gut, ich muss los. Ich muss Dinge treffen und Leute erledigen, und auch noch beides gleichzeitig, ist das zu glauben«, meinte er augenzwinkernd. »Danke für Ihre Hilfe, Gabe.« Er steckte einen Zehn-Euro-Schein in Gabes Tasse.
    »Danke, Mann«, strahlte Gabe, holte den Schein sofort aus der Tasse, stopfte ihn in die Jackentasche und klopfte mit dem Finger darauf. »Die anderen sollen nichts davon mitkriegen, erinnern Sie sich?«
    »Stimmt«, gab Lou ihm recht.
    Aber genau im gleichen Moment war er völlig anderer Meinung.

5 Der dreizehnte Stock
    »Nach oben?«
    Hoffnungsvoll blickte der Mann, der die Frage gestellt hatte, in die verschlafenen Gesichter, und aus der überfüllten Aufzugskabine antwortete ihm ein kollektives Grunzen und Kopfnicken. Von allen außer von Lou genau genommen, denn Lou war zu sehr damit beschäftigt, die Schuhe des Manns anzustarren, der jetzt die schmale Ritze überschritt, unter der sich der kalte schwarze Schacht auftat, und den vollgepfropften Fahrstuhl betrat. Die braunen Herrenhalbschuhe vollzogen eine Hundertachtzig-Grad-Wendung, so dass sie nun nach vorn in Richtung Tür wiesen. Lou hielt weiter Ausschau nach roten Sohlen und schwarzen Schuhen. Alfred war frühzeitig ins Büro gekommen und am Freitag mit den schwarzen Schuhen zum Lunch gegangen. Die schwarzen Schuhe hatten zusammen mit rotsohligen Damenschuhen das Büro verlassen. Wenn Lou herausfand, wem die roten Sohlen gehörten, dann würde er erfahren, mit wem dieses weibliche Wesen zusammenarbeitete, und er würde auch wissen, mit wem Alfred sich heimlich traf. Dieser Prozess erschien ihm sinnvoller, als Alfred einfach zu fragen – eine Tatsache, die ganz nebenbei eine Menge über Alfreds Ehrlichkeit aussagte. Darüber dachte Lou nach, während er gleichzeitig dem {45 } unbehaglichen Schweigen ausgesetzt war, das nur in einer Aufzugskabine voller fremder Menschen entstehen kann.
    »In welchen Stock wollen Sie?«, ertönte eine gedämpfte Stimme aus der Ecke, wo gut versteckt – und vermutlich halb zerquetscht – der Mann stand, der als Einziger Zugang zu den Knöpfen hatte und damit für die Organisation der Aufzugsstopps verantwortlich war.
    »Dreizehn, bitte«, antwortete der Neuzugang.
    Seufzer und missbilligende Geräusche waren zu hören.
    »Es gibt keinen dreizehnten Stock«, erklärte der Unsichtbare an den Knöpfen.
    Die Türen schlossen sich, und der Aufzug setzte sich rasch nach oben in Bewegung.
    »Sie sollten sich beeilen«, drängte der Unsichtbare.
    »Äh … « Der Neuling wühlte in der Aktentasche nach seinen Unterlagen.
    »Entweder zwölf oder vierzehn«, fuhr die gedämpfte Stimme hilfsbereit fort. »Dreizehn gibt es nicht.«
    »Bestimmt muss er im vierzehnten raus«, vermutete jemand anderes. »Der vierzehnte ist doch theoretisch der dreizehnte.«
    »Soll ich vierzehn drücken?«, fragte die Stimme ein wenig ungeduldiger.
    »Äh … « Der Mann fummelte immer noch mit seinen Papieren herum.
    Lou konnte sich nicht auf das ungewöhnliche Gespräch in dem sonst immer so stillen Aufzug konzentrieren, weil er die Schuhe der Menschen um ihn herum studierte. Jede Menge schwarzer Schuhe. Manche hatten Verzierungen, manche Slipperform, manche waren abgewetzt, manche blankpoliert, manche nicht richtig zugebunden. Aber keine Spur von roten Sohlen, nirgends. Auf einmal bemerkte {46 } er, dass die Füße um ihn herum unruhig wurden. Ein Paar rückte sogar fast unmerklich ein Stück von ihm ab. Als der Aufzug bimmelte, blickte Lou auf.
    »Nach oben?«, fragte eine junge Frau.
    Diesmal waren deutlich mehr hilfsbereite Ja-Rufe zu hören, und die Männerstimmen klangen entschieden lauter.
    Die junge Frau stellte sich vor Lou, und er betrachtete ihre Schuhe, während sich die Männer um ihn herum in der schweren Stille, die nur Frauen in einem Aufzug voller Männer spüren, eher anderen Körperbereichen widmeten. Langsam setzte sich die Kabine wieder in Bewegung. Sechs … sieben … acht …
    Schließlich zog der Mann mit den braunen Herrenhalbschuhen seine Hand –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher