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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod
Autoren: Petra Busch
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miteinander.«
    »Und kleinere?« Freitag schob die Hände in die Taschen seiner Bundfaltenhose.
    Der Schauspieler erhob sich erneut und ging auf und ab.
    Wie ein gefangener Tiger.
    »Kleinere, das haben wir doch alle.« Er klang plötzlich aggressiv.
    »Welcher Art waren diese Probleme?«
    »Das bringt doch jetzt alles nichts.« Lene begann wieder zu weinen. Weiße Taschentuchschnipsel fielen zu Boden. »Sie müssen Becci finden.«
    »Das versuchen wir, Frau Assmann. Und je mehr wir jetzt über Rebecca und Marius und die Ereignisse heute Morgen erfahren, desto schneller können wir gezielte Maßnahmen einleiten.« Was für Floskeln, dachte der Kriminalhauptkommissar, noch während er sprach. Doch was sollte er den Eltern sagen? Dass sie in der jetzigen Situation maximal ein kleines Team zusammenrufen und die sogenannten Hinwendungsorte prüfen würden? Freunde, Verwandte, Lehrer, Kneipen vielleicht? Dass Marius mit achtzehn Jahren ein freies Aufenthaltsbestimmungsrecht hatte? Und dass Rebecca, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit ihm zusammen war, sich damit in der Aufsicht eines volljährigen Familienmitglieds befand? Es würde maximal eine kleine Suchaktion um die Haltestelle herum geben, falls Kollegen von der Streife verfügbar waren. Auch keine Sonderkommission. Nicht ohne Hinweis auf ein Verbrechen. Selbst wenn er, Ehrlinspiel, dies lieber anders handhaben und sofort eine große Suche einleiten würde. Manchmal hasste er die Bürokratie und das Fehlen der nötigen personellen Mittel, um früher eingreifen zu können. Selbst, wenn die Erfahrung war – und das erklärte er nun –, dass die meisten Sprösslinge nach spätestens zwölf Stunden wieder wohlbehalten vor der Tür ihrer Eltern standen.
    Lene Assmann nickte. »Was … was wollen Sie denn noch wissen?«
    Acht Stunden waren die Kinder jetzt weg. Eigentlich nicht besorgniserregend. Doch es war bitterkalt, die Nacht brach an, bei Bekannten hielten sie sich laut Angaben der Eltern nicht auf. Gänsehaut kroch Ehrlinspiels Arme hinauf, und er ahnte, dass er Bentley und Bugatti heute mit einem späten Dosenfutter anstatt eines selbstgekochten Gourmetmahls abspeisen musste. Seine beiden Siamkater würden beleidigt sein. Und jemand anders wäre enttäuscht, weil für das versprochene Telefonat wohl auch keine Zeit blieb. »Hatten Sie mit Ihren Kindern in letzter Zeit Unstimmigkeiten? Oder haben die Kinder sich untereinander gestritten?«
    »Nein«, antworteten die Eltern gleichzeitig, und sie schienen ehrlich. Lene fuhr fort: »Es war alles wie immer. Becci hat wegen der Schule gequengelt. Sie hat neulich ihr Rechenheft zerrissen, weil sie die Aufgabe nicht lösen konnte. Und … sie hat schon zweimal den Unterricht geschwänzt.« Sie warf ihrem Mann einen Seitenblick zu. Kein Muskel bewegte sich in seinem Gesicht. »Aber«, fuhr Lene Assmann fort, »ich habe das völlig sachlich mit ihr besprochen. Ohne laute Worte. Doch heute, da wollte meine Kleine unbedingt in die Schule. Obwohl sie gehustet hat. Ich wollte sie zuerst nicht gehen lassen. Aber sie hatte Tierkunde und Deutsch, ihre Lieblingsfächer, und … und …« Sie schluchzte laut auf. »Es waren doch sowieso zwei Stunden weniger heute. Hätte ich sie bloß hierbehalten.«
    »Und Marius?«, übernahm Freitag wieder das Gespräch. »Was ist er für ein Typ? Und war Ihr Sohn heute Morgen wie immer?«
    Günther Assmann hob die buschigen Augenbrauen. Sie waren in der Mitte lang und grau, wie man es bei Männern ab Mitte vierzig oft fand. Seine Augen waren stahlgrau mit einem Stich ins Blaue. Er könnte auch den Mephisto geben, dachte Ehrlinspiel. »Mein Sohn«, sagte Assmann, »ist entweder unterwegs oder vergräbt sich oben mit seinen Sachen. Ob er heute wie immer war, weiß ich nicht. Wie gesagt: Wir frühstücken normalerweise nicht zusammen. Lene? Was meinst du?«
    »Marius frühstückt immer mit Becci. Die beiden sind sich … sehr nahe. Er macht ihr manchmal auch das Frühstück. In letzter Zeit allerdings nicht mehr so oft. In vier Wochen geht das Abitur los. Er lernt oft bis in die Nacht.« Sie schüttelte den Kopf, als denke sie nach, komme aber zu keinem Ergebnis. »Doch, er war wie immer. Er schien müde, aber das ist normal bei ihm. Er hat mit Becci Witze über eine Lehrerin gemacht. Frau Heinemann. Das ist die Mathelehrerin der fünften Klasse. Becci sagt immer, sie stehe so gerade und steif an der Tafel wie ein Lineal. Marius hat gelacht, ihr das Nutella-Glas weggeschnappt und gesagt, sie
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