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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod
Autoren: Petra Busch
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Jugendlichen.« Josianne nieste. »’tschuldigung.«
    Edgar Habermaß, der Pressesprecher, rümpfte die Nase und rückte ein Stück von ihr ab.
    »Rebecca ist zehn Jahre alt, Größe eins vierundfünfzig, das ist recht groß für das Alter.« Ehrlinspiel zeigte ein zweites Foto. Jede Sommersprosse und die grünen Einsprengsel in ihren blaugrauen Augen erschienen lebendig. »Kleidung: lila Wollrock und Kapuzenpullover, weiße Strumpfhose, weiße, gefütterte Stiefel mit Blinkeffekten, eine ebensolche Jacke. Ihre blonden Haare sind wahrscheinlich zu einem dicken Zopf geflochten, den sie gern unter ihre lila-weiß geringelte Mütze schiebt, sagt die Mutter.«
    »Schulranzen?« Josianne sprach durch die Nase.
    »Rucksack.«
    »Lila-weiß?«
    »Violett.« Moritz berichtete von dem Besuch bei den Eltern. Dem Haus. Und den Zimmern der Kinder, die so unterschiedlich waren.
    »Heißt: Marius kann genauso gut ein verwöhnter Schnösel oder eine verlorene Seele sein«, sagte Josianne. »Was ist euer Eindruck?«
    »Verlorene Seele. Er lebt wie ein Durchschnittskind. Und« – Ehrlinspiel hielt Assmanns Auflistung der Namen hoch – »er hat offenbar keine Freunde. Zumindest findet sich kein einziger Kumpel hier drauf, obwohl Marius seit acht Jahren dasselbe Gymnasium besucht. Rebecca dagegen
ist erst seit einigen Monaten dort
. Sie geht in die fünfte Klasse, Marius in die zwölfte. Am zehnten April fangen die schriftlichen Abiturprüfungen an.« Der Hauptkommissar legte das Blatt vor sich hin und strich darüber. »Verwandte beschränken sich auf die Mutter von Günther Assmann und eine Schwester, die in Bern wohnt. Die Mutter lebt in einem Pflegeheim, nicht weit von hier, in Kirchzarten. Lene Assmann ist Vollwaise, keine Geschwister.« Er sah zu den Fenstern, dunkle Rechtecke, die bis zum Boden des Soko-Raumes reichten. »Viel tun können wir im Augenblick nicht. Aber ich habe trotzdem Streifenbeamte losgeschickt. Sie suchen alles um die Straßenbahn-Haltestelle und den angrenzenden Sternwald ab und nehmen die Gegend rund um das Elternhaus unter die Lupe. Fahndung ist im System eröffnet, Funkfahndung an sämtliche Dienststellen in der Region ausgegeben, und die beiden sind ausgeschrieben. Marius zur Aufenthaltsermittlung und Rebecca zur Fahndung.«
    »Das ist doch Aktionismus!« Edgar Habermaß hörte auf, mit dem Freischwinger zu wippen. »Der Junge ist fast neunzehn! Und wir haben nicht die geringsten Anhaltspunkte, wo wir suchen sollen.«
    »Moment noch.« Ehrlinspiel nickte Freitag zu.
    Sofort wurden die Lippen des Pressesprechers noch schmaler. Wie er es schaffte, mit dieser Miene und seiner obligatorischen braunrosa Streifenkrawatte kompetente Interviews und sympathische O-Töne vor laufender Kamera abzugeben, war Ehrlinspiel schon immer ein Rätsel.
    »Wir haben sämtliche Krankenhäuser abtelefoniert«, berichtete Freitag den Stand nach den ersten Stunden. »Nichts. Eine Hoffnung waren die Handys der Kinder. Aber die Kollegen der Telekommunikationsüberwachung können sie nicht orten. Ausgeschaltet, seit Assmann sie heute Vormittag aus dem Wagen gelassen hat. An dem dortigen Mobilfunkmast waren sie um neun Uhr sechzehn zuletzt eingeloggt.«
    »Rebecca hatte ein Handy? Mit zehn Jahren?« Der Pressesprecher beugte sich nach vorn.
    Freitag nickte. »Deswegen auch der ›Aktionismus‹, den du im Normalfall zu Recht ablehnst, Edgar. Rebecca hat Diabetes. Und genau das ist der heikle Punkt.«
    »Zuckerkrank? Soll das ein Witz sein? Zucker hat höchstens meine Großtante. Sie zetert immer, weil sie keine Torte essen darf.«
    Ehrlinspiel schnaubte innerlich. Edgar war ein guter Mann, aber schwierig im Umgang mit anderen. Immer dagegen. Immer provokativ. Manchmal hoffte er, dass er zu den Kollegen gehörte, die im Zuge der anstehenden Strukturreform den Arbeitsplatz wechselten.
    Noch war alles wie immer in dem L-förmigen Gebäude mit den Klinkern und runden Ecken in der Heinrich-von-Stephan-Straße 4 . In dem denkmalgeschützten Gebäude – einst Produktionsstätte für medizinische Instrumente – waren die Freiburger Polizeidirektion, Einsatzstab, Führungs- und Lagezentrum, Ermittlungsdezernate der Kripo, die Kriminaltechnik samt ihren Hightech-Laborräumen, das Revier Süd, die Verkehrspolizei, Direktion, Verwaltung und Archive untergebracht. Im Keller gab es außerdem eine Großraum- und mehrere kleine Arrestzellen.
    »Soweit ich es verstanden habe«, erklärte Freitag dem Pressesprecher, »ist Rebeccas Krankheit eine
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