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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition)
Autoren: Klaus Seibel
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so, als existierte Ellen nicht.
    Ellen sah auf ihre Uhr. Es war schon spät, und sie hatte noch kaum Blut eingesammelt. Das würde knapp werden. Wenn sie zu spät beim Labor ankam, nahm man die Blutproben nicht mehr an. Die konnte sie dann wegwerfen, und das würden die Tierärzte mit Sicherheit nicht gut finden.

2
    Ellen schaffte es, die Blutproben noch vor Annahmeschluss abzugeben, weil sie sich konsequent nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hielt. Das Risiko, dabei erwischt zu werden, war begrenzt. Es gab so gut wie keine Radarfallen auf ihrer Tour, die mageren Einnahmen durch die Strafgelder rechneten die Investitionen nicht. Und wo doch eine installiert war, bremste man eben kurz vorher ab. Die Standorte waren allen bekannt.
    Für heute stand kein weiterer Auftrag an, wie so oft. Dieses Mal war Ellen froh darüber, die Sache vom Vormittag ging ihr nicht aus dem Kopf. Warum wollte sich Andreas Schuster umbringen , und warum hatte er mit seinen Händen in der Erde gewühlt? Der Dreck an seinen Händen war Ellen nicht entgangen. Mit Sicherheit wollte er nichts vergraben. Dazu hätte ein Bauer Werkzeug mitgenommen. Genauso, wenn er etwas hätte ausgraben wollen. Und wer sich »nur« umbringen wollte, wühlte auch nicht vorher in der Erde. Hier war noch eine ganze Menge ungeklärt.
    Möglicherweise ist Schuster einfach krank, und eigentlich geht mich das überhaupt nichts an. Trotzdem ...
    Als Kommissarin war Ellen immer wichtig gewesen, alle Fragen zu lösen, bevor sie eine Akte schloss. Dieses Denken war ihr irgendwie in Fleisch und Blut übergegangen und hatte den Ausstieg aus dem Polizeidienst überlebt.
    Das imposante Gebäude der Ruppiner Kliniken war nicht weit vom Labor entfernt. Diese Kliniken waren das Beste, was die Gegend zu bieten hatte. Die Gebäude waren zwar alt und standen unter Denkmalschutz, aber sie waren hervorragend hergerichtet und dank zahlreicher Zuschüsse mit neuester Technik ausgestattet.
    Schuster lag auf der Intensivstation.
    »Sind Sie die Frau des Patienten?«, fragte die zuständige Ärztin kritisch.
    »Nein.«
    »Dann darf ich Ihnen nichts sagen.«
    Mist! Als Polizistin hatte Ellen immer alle Auskünfte bekommen, die sie wollte. So ganz war sie noch nicht im zivilen Leben angekommen.
    »Ich habe ihn gefunden«, versuchte Ellen ein Argument. Sie hoffte, dass das Grund genug für eine Auskunft sei.
    Die Ärztin überlegte.
    »Ich möchte nur wissen, ob er überleben wird«, legte Ellen nach.
    »Na gut. Sie haben ihm schließlich das Leben gerettet«, entschied die Ärztin.
    Ellen war erleichtert.
    »Zu neunzig Prozent wird er durchkommen, aber die Schädelverletzung ist schwer. Wir haben ihn in ein künstliches Koma versetzt. Ob etwas zurückbleiben wird, lässt sich jetzt noch nicht sagen.«
    »Wann kann man mit ihm reden?«
    Die Ärztin zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Er wird überleben, das muss Ihnen genügen. Das tut schließlich nicht jeder. Außerdem habe ich Ihnen schon mehr gesagt, als ich darf.«
    Die Ärztin war ganz offensichtlich fertig mit Ellen. Weitere Auskünfte würde sie hier und jetzt nicht bekommen.
    Während Ellen durch die langen Krankenhausflure nach draußen ging, rekapitulierte sie das Gespräch.
    Was hat die Ärztin damit gemeint mit dem » Das tut schließlich nicht jeder«? Überleben?
    Die einzige Möglichkeit, mehr herauszufinden, war Schusters Familie. Sie wohnte draußen in der Nähe von Königshorst. Das war ein ganzes Stück zu fahren, aber das war Ellen die Sache wert.
    Eine halbe Stunde später parkte Ellen ihren Transporter vor der Einfahrt zu einem Bauernhof. Eine Katze huschte um die Ecke, als sie Ellen entdeckte. Zur rechten Seite befand sich ein schlichtes Wohngebäude. An den Fenstern hingen üppig bepflanzte Blumenkästen. Im rechten Winkel an das Wohngebäude angebaut sah Ellen eine Scheune, deren großes Tor offen stand. Sie konnte die Vorderräder eines Traktors erkennen. Gegenüber dem Wohngebäude war noch eine Scheune. Die Tür war geschlossen, die Fenster bestanden aus Glasbausteinen, die im Lauf der Zeit undurchsichtig geworden waren. Auf einer Schaukel neben der Scheune spielten zwei Kinder. Ellen erkannte die Kinder auf dem Foto wieder, sie war hier also richtig. Insgesamt machte alles einen absolut friedlichen Eindruck, fast eine Postkartenidylle. Klar war aber auch, dass der ordentliche Eindruck eher von fleißiger Arbeit als von reichlich vorhandenem Geld herrührte.
    Jetzt entdeckte eines der Kinder
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