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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition)
Autoren: Klaus Seibel
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Frau gewesen und hatte sich nicht einschüchtern lassen. Sie kannte den Umgang in Männergesellschaften und wusste, wie man sich dort behauptete.
    Ellen entschied sich für einen Tisch, an dem sie bei ihrem Eintritt vorwiegend positive Reaktionen festgestellt hatte. Er war zwar voll besetzt, aber das störte Ellen nicht. Sie nahm sich einfach einen frei herumstehenden Stuhl.
    »Ist hier noch ein Platz frei?«
    Die Männer sahen sich überrascht an und rückten dann zusammen.
    »Klar doch«, sagte einer.
    Ellen setzte sich und bestellte ein Bier, etwas anderes wäre peinlich gewesen.
    »Wie heißt du?«, wagte sich einer aus der Deckung.
    Ellen störte nicht, dass er sie duzte. Das war hier eben so, deshalb gab sie die Frage genauso zurück. »Ellen. Und du?«
    »Alfred. Und was machst du hier?«
    »Ich sammle Blut ein , und jetzt habe ich frei.«
    Einige lachten. Das mit dem Blut amüsierte die Männer. Sie wollten, dass Ellen von ihrem Job erzählte. Die anderen am Tisch verfolgten gespannt die Unterhaltung. Sie waren alle neugierig und gleichzeitig froh, das Gespräch nicht selbst führen zu müssen. Wer meistens allein auf dem Feld arbeitete, war nicht so redselig. Erst recht nicht bei Fremden.
    »Dann fährst du also jeden Morgen mit diesem komischen Auto durch unsere Gegend«, stellte Alfred fest.
    Die anderen nickten zustimmend. Sie hatten Ellens Wagen auch schon irgendwann gesehen. Er sah tatsächlich ein bisschen seltsam aus. Die Windschutzscheibe war etwas nach vorne versetzt wegen der Panzerung, und die Türen hatten nur rautenförmige Scheiben. Das fiel schon auf.
    »Er ist gepanzert«, sagte Ellen beiläufig, wobei sie wusste, dass sie jetzt die volle Aufmerksamkeit von allen hatte. Das musste sie ausnutzen. »Kennt ihr eigentlich den Andreas Schuster?«
    »Den Andreas? Ja klar«, sagte Alfred. Die anderen nickten wieder. »Was ist mit dem?«
    »Der wollte sich umbringen.«
    Jetzt fand Ellen es gut, nicht mehr im Dienst zu sein. Sie musste sich vor niemandem rechtfertigen, ob sie möglicherweise Dienstgeheimnisse verriet. Sie hatte die Freiheit, alles zu sagen, was und wie sie wollte. Außerdem würden die Leute es sowieso erfahren. Nur später. Die Antwort von Ellen verursachte erstauntes Raunen, nicht nur an ihrem Tisch. Sogar die Bedienung und der Wirt kamen näher. In einigen Gesichtern meinte Ellen einen Ausdruck zu erkennen, der so viel bedeuten konnte wie: Ich habe es doch gewusst.
    »Und warum?«, fragte der Wirt das, was auch alle anderen brennend interessierte.
    Ellen erzählte, wie sie Andreas am Morgen gefunden hatte. Von ihrem Besuch bei Danuta sagte sie nichts. »... warum er das tun wollte, kann ich nicht sagen«, schloss Ellen ihren Bericht. »Ich konnte ihn nicht fragen. Was glaubt ihr denn?«
    Einige zuckten die Schultern, einige murmelten etwas, das Ellen nicht verstehen konnte. Ein paar sahen sich vielsagend an, aber keiner sagte etwas.
    »Habt ihr keine Idee?«, legte Ellen nach.
    Mehrere Männer sahen Alfred so intensiv an, als ob sie ihm eine Antwort suggerieren wollten.
    »Nein«, sagte Alfred schließlich.
    »Schade. Ich dachte, ihr würdet ihn kennen.«
    »Andreas war nicht so beliebt«, sagte jemand, der bis jetzt still gewesen war. Er erntete umgehend einen Rippenstoß von seinem Nachbarn und einige böse Blicke von anderen. Ellen spürte, dass sie das Thema wechseln musste, wenn sie es sich nicht ganz verderben wollte, aber fertig war sie noch nicht.
    »Ich habe gehört, dass hier ab und zu Männer auf den Höfen auftauchen.«
    An den überraschten und zum Teil erschrockenen Reaktionen erkannte Ellen, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
    Alfred räusperte sich. »Was für Männer?«
    »Keine Ahnung. Männer, die Druck machen«, schoss Ellen einen Versuchsballon ab. Wieder ein Treffer.
    »Was interessieren dich diese Männer?«, fragte ein besonders großer Mann, der sich jetzt an ihren Tisch drängte.
    Ellen wollte keinen Streit. »Eh, Frauen interessieren sich halt für Männer«, sagte sie und sah ihn keck an. »Da hast du doch bestimmt nichts gegen.«
    Damit hatte Ellen einige Lacher auf ihrer Seite, aber die Stimmung blieb angespannt. Ellen entschied sich zu gehen. Sie hatte eine Mauer des Schweigens angetroffen und angetastet. Hier und heute würde sie die nicht einreißen.
    »Leute, ich muss los – damit morgen wieder Blut fließen kann«, verabschiedete sie sich augenzwinkernd, um sich die Optionen für später offen zu halten.
     
    Wieder draußen sog Ellen die
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