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Zebraland

Zebraland

Titel: Zebraland
Autoren: Marlene Roeder
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als sei er nicht da. Doch da packte er sie am Arm und drehte sie zu sich herum: »Wollen wir tanzen?«
    Mit großen erschrockenen Augen starrte Anouk ihn an.
    »Lass sie in Ruhe, Elmar. Sie will nicht mit dir tanzen.« Ich löste seinen Griff um Anouks Oberarm. Er hatte so fest zugepackt, dass die Abdrücke seiner Finger auf ihrer zart gebräunten Haut zurückblieben. Sobald sie frei war, rannte Anouk davon.
    Sie drängte sich durch Grüppchen von Leuten bis zur anderen Seite des Platzes, wo offenbar ihr Freund stand. Der machte sofort einen auf Beschützer: Obwohl er von der ganzen Sache wahrscheinlich gar nichts mitgekriegt hatte, schoss er Killerblicke in unsere Richtung. Der Typ sah aus wie so ein verklemmter Spießer. Absolut durchschnittlich. Philipp hieß er, ging auch auf unsere Schule. Neben ihm stand diese große Blonde von der Schülerzeitung, mit der er immer rumhing. Durchaus attraktiv, wenn man auf diesen sportlichen Typ steht. Aber nicht mal Elmar würde sich trauen, die anzubaggern. Ich fand es jedenfalls ziemlich einschüchternd, wie sie mich aus kühlen Augen anstarrte.
    Die Blonde sagte etwas zu diesem Philipp. Bestimmt schärften die beiden schon ihre Lästerzungen. Und für einen kurzen Augenblick konnte ich sehen , was sie sahen: zwei Spinner mit Dreads und identischen schwarzen T-Shirts mit der Aufschrift I am the god of reggae .
    Ich wollte nur noch weg von diesem bescheuerten Festival, diesem verdammten Reinfall. »Komm, lass uns gehen!«, sagte ich zu Elmar. Doch er blieb stehen wie ein sturer alter Ziegenbock und glotzte zu Anouk. Als ich versuchte ihn mitzuziehen, schubste er mich weg: »Lass mich, Kleiner!«
    Mein Herz pumpte schneller, pumpte Scham, Enttäuschung und Wut. Ich spürte es in mir brodeln, schwarze Blasen werfen. Und dann schubste ich zurück.
    Ich stieß Elmar mit voller Kraft gegen die Brust. Er fiel hin, machte ein überraschtes Gesicht und bemühte sich, wieder auf die Füße zu kommen, kicherte, als es ihm nicht gelang: »Hey Ziggy, hilf mir mal.«
    Ich drehte mich weg. Als ich ging, lag Elmar noch immer auf dem staubigen Boden und lachte, als sei das alles ein großer Scherz.

Judith
    Wir beobachten, wie der besoffene Bongomann sich hochrappelt und zum nächsten Dixi-Klo wankt. Anscheinend ist es besetzt. Er rüttelt an der Tür und wirft sich schließlich sogar dagegen. Das Plastikhäuschen wackelt unter seinem Körpergewicht. Von drinnen hört man Flüche. Als er sich Anouks Aufmerksamkeit sicher ist, dreht Bongomann sich zu ihr um und zwinkert ihr grinsend zu.
    Anouk scheint dieses primitive Imponiergehabe aber eher Angst einzujagen.
    »Was, wenn dieser Kerl plötzlich mitten in der Nacht vor unserem Zelt auftaucht?«, fragt sie, das Gesicht an Phils hagere Brust geschmiegt.
    »Quatsch«, brummt Phil, aber er klingt beunruhigt.
    »Also mir würde es nichts ausmachen, wenn wir heute schon fahren«, sage ich gedehnt. »Sooo toll finde ich das Festival nicht.« Ob mit oder ohne durchgeknallten Bongoman n – allein und mit frierenden Zehen im Schlafsack zu liegen, während sich keine anderthalb Meter entfernt ein Pärchen bemüht, beim Kuscheln möglichst leise zu sein, ist keine Erfahrung, die ich unbedingt brauche.
    »Oh wirklich, Judith?« Anouks Stimme klingt so dankbar, dass ich mir richtig edelmütig vorkomme. »Ich will euch das Wochenende nicht verderben, abe r … es wäre mir lieber heimzufahren.«
    »Also gut«, seufzt Phil. »Dann lasst uns zusammenpacken. Ich glaube, es gibt nachher noch ein Unwetter.«
    In der Ferne grollt schon der Donner eines heraufziehenden Sommergewitters, dumpf und bedrohlich wie das Knurren eines großen Tieres.

Ziggy
    Z: »Im Nachhinein hab ich mir oft gewünscht, ich wäre einfach auf dem Festival geblieben. Wir beide hätten uns schon wieder eingekriegt. Wir hätten in deinem VW -Bus pennen und am nächsten Tag heimfahren können. Dann wäre vielleicht nichts von dieser Scheiße passiert. Zumindest wär’s nicht mir passiert. Vielleicht wäre mein Leben dann ganz anders.«
E: »Aber das hier ist dein Leben, Ziggy.«
Z: »Verdammt, ja. Aber manchmal, wenn ich morgens aufwache, wünsche ich mir so sehr, ich könnte aufstehen und endlich mit meinem richtigen Leben weitermachen. Und dieses andere hier, dieses falsche, würde sich im Sonnenlicht auflösen wie ein böser Traum.«
    Ich hockte auf dem Holzzaun des Parkplatzes und hoffte, dass mich irgendjemand mitnehmen würde. Allein bei dem Gedanken, am nächsten Tag mit Elmar
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