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Zebraland

Zebraland

Titel: Zebraland
Autoren: Marlene Roeder
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schneller und schneller. Er schien der Einzige zu sein, der wusste, was zu tun war. Also folgte ich ihm, ich lief ihm einfach hinterher.
    Wir kletterten die Böschung wieder hoch.
    »Bleibt hier!«, rief Judith uns nach, halb schluchzend. »Was ist mit euch los, verdammt?! Wir müssen doc h …« Dann hörte ich, wie sie uns hinterherrannte.
    Wir waren schon fast beim Auto, als sie uns einholte und Philipp am Hemd festhielt. »Hat jemand ein Handy dabei?«, keuchte sie außer Atem. »Wir müssen den Notarzt rufen! Die Polizei!«
    »D-d-das bringt nichts m-m-mehr«, antwortete Philipp und machte sich von Judith los. Er stotterte so stark beim Sprechen, dass ich ihn kaum verstehen konnte.»D-d-da s … das m-ma-macht sie a-a-auch nicht wie-d-der le-lebendi g …« Plötzlich verstummte er. Da hörten wir es auch.
    Motorengeräusche, die auf uns zukamen.
    In mir helle Panik. Nichts als das dringende Bedürfnis, mich zu verstecken. Reflexartig ging ich in die Hocke, hinter unserem Auto in Deckung.
    Philipp packte Judith am Arm und zog sie hinter den Mercedes. »A-Anouk, sch-schalt das Licht aus!«, rief er. »Hörst du! Schalt sofort die Sch-Sch-Scheinwerfer aus!«
    Einen Augenblick lang dachte ich, sie würde nicht reagieren.
    Dann erloschen die Scheinwerfer. Unsere keuchenden Atemzüge im Dunkeln.
    Wir hätten uns auf die Straße stellen und winken können. Wir hätten den Wagen anhalten können.
    Wir taten es nicht.
    Sekunden später brauste das Auto an uns vorbei.
    Es hielt nicht an.
    Ein Tropfen zerplatzte auf meinem Arm, dann prasselte der Regen auf den Asphalt. Donner krachten direkt über uns. Das Gewitter hatte uns eingeholt.
    Anouk huschte vom Fahrersitz und kauerte sich auf der Rückbank zusammen. Sie stellte keine Frage, sagte kein einziges Wort zu uns.
    Ich drängte mich zu ihr auf die Rückbank. Judith stieg vorne auf der Beifahrerseite ein. Tür zu.
    Wie beruhigend so eine geschlossene Autotür sein kann! Der Wald war draußen, drinnen nur das künstliche Vanille-aroma des Duftbäumchens. Die neonleuchtenden Zeiger der Uhr im Armaturenbrett zeigten einundzwanzig Uhr zweiundfünfzig.
    Philipp hatte sich hinters Steuer gesetzt. Dabei erfuhr ich später, dass er noch gar keinen Führerschein hatte.
    Als er zum zweiten Mal den Zündschlüssel drehte, sprang der Wagen an. Langsam rollten wir die Landstraße hinunter, in Richtung Schwarzacker, wo ich wohne.
    Ich drehte mich um, schaute aus der Heckscheibe, über die die Tropfen liefen. Irgendwo dort hinten lag Yasmin allein im Regen. Zwischen zerdrückten Pilzen im Moos und schwarzen Bäumen, die sich über sie neigten.
    Ich versuchte die Stelle so lange wie möglich zu fixieren, doch dann kam die nächste Kurve und sie war fort. Ein Klumpen Schwärze, der von der Nacht geschluckt wurde.

Judith
    Die Scheibenwischer quietschen. Niemand sagt ein Wort. Nur Anouk summt leise vor sich hin, dieses schreckliche Lied: Der Mond ist aufgegange n …
    Immer und immer wieder.
    Ich habe das Gefühl, gleich durchzudrehen.
    »Sei endlich still!«, zische ich Anouk an. Doch die summt weiter, ohne Notiz von mir zu nehmen. Völlig weggetreten.
    »L-lass sie, ich glaube, sie hat einen Sch-Schock«, sagt Phil.
    »Wir sollten sie ins Krankenhaus bringen. Und die Polizei rufe n …«, murmle ich.
    »N-nein, wir dürfen jetzt n-nichts überstürzen«, widerspricht er mir. »Wir sollten gut überlegen, bevor wir ha-handeln.« Er wirft Anouk im Rückspiegel einen besorgten Blick zu. »W-wir brauchen einen Ort, an dem wir uns ausruhen könne n …«
    »Ich weiß, wo wir hinkönnen«, mischt Ziggy sich überraschend in das Gespräch ein. Sonst scheint er eher der schweigsame Typ zu sein. Aber wenn er doch mal den Mund aufmacht, hat er eine ruhige, nachdrückliche Art zu sprechen.
    Wir passieren das Ortsschild von Schwarzacker. »Da vorne an der Kreuzung musst du links abbiegen«, erklärt Ziggy. Die Straßen liegen leer und verlassen wie in einer Geisterstadt. Nur die Ampel an der Hauptstraße ist in Betrieb. Ihr rotes Licht glänzt auf dem regennassen Asphalt. In mir steigt ein hysterisches Kichern hoch, als Philipp brav abbremst. Es ist alles so surreal.
    »Stopp, hier ist es«, sagt Ziggy schließlich, und Phil hält vor einer alten Tankstelle am Ortsrand. »Die Autowerkstatt von meinem Cousin.«
    Das halbrunde Vordach wird von einer einzigen Stele getragen, wodurch es aussieht wie ein überdimensionaler Pilz. Der Eindruck wird von der neongrünen Lichterkette noch verstärkt, die
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