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Zauberkusse

Zauberkusse

Titel: Zauberkusse
Autoren: Voosen Jana
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zögernd nach dem Piepton, »tja, das war ich eben am Telefon, du hast mich wohl nicht gehört. Na ja, jetzt ist dein Handy aus. Bitte ruf mich zurück, ja? Ich liebe dich«, füge ich nach einer kurzen Pause noch hinzu und lege dann auf.
     
    Aber er ruft mich nicht zurück, den ganzen Abend nicht.
    »Der hat dich ganz genau gehört«, meint Loretta, als ich ihr mein Leid klage. »Vermutlich saß seine Frau bloß gerade neben ihm.«
    »Meinst du wirklich?«, frage ich fassungslos.
    »Na, was denkst du denn, was passiert ist?«
    »Dass er mich nicht gehört hat, weil er in einem Funkloch steckte. Und dann ist vermutlich … sein Akku leer gewesen.«
    »Na schön, das ist auch möglich«, räumt meine Freundin ein, »aber ich glaube es eigentlich nicht.« Natürlich nicht, wie könnte sie auch? Loretta hat schon vor einer halben Ewigkeit aufgehört, an das Gute in den Männern zu glauben. Seit Marc aus ihrer Staatsrechtsvorlesung ihr zu Beginn des Jurastudiums das Herz gebrochen hat. Seitdem hangelt sie sich von einer Affäre zur nächsten, was ich, nebenbei gesagt, wirklich schade finde. Aber egal, wie sehr ich mir auch den Mund fusselig rede, ihr Herz bleibt seit jener Zeit unter Verschluss. Und die Scheidungsschlachten, mit denen sie tagtäglich zu tun hat, sind natürlich der perfekte Nährboden, ihre schlechte Meinung über Männer immer wieder aufzufrischen.
     
    Ich höre die ganze Nacht nichts von Gregor. Am nächsten Morgen weckt mich das schrille Klingeln der Türglocke aus meinen Träumen, aber die waren sowieso alles andere als schön. Müde schlurfe ich zur Gegensprechanlage und werfe einen Blick auf die Wanduhr im Flur. Es ist kurz nach neun. Wer wagt es, mich zu dieser nachtschlafenden Zeit aus den Federn zu holen?
    »Hallo«, frage ich unwirsch in den Hörer hinein, »wer ist da?«
    »Ich bin es«, ertönt Gregors Stimme und mein Herz setzt einen Schlag aus. Mir wird plötzlich so schwindelig, dass ich mich gegen die grün gestrichene Wand lehnen muss. Bin wahrscheinlich einfach zu schnell aus dem Bett gesprungen. »Hallo, hörst du mich nicht«, kommt es aus dem Hörer. Am liebsten würde ich sagen: Nein, genauso wie du gestern Abend. Aber natürlich tue ich es nicht. Ich drücke wortlos die weiße Taste mit dem Schlüsselsymbol, hänge den Hörer zurück auf die Gabel und renne hektisch ins Badezimmer, um mein Spiegelbild zu überprüfen. Der Anblick erfreut mich überhaupt nicht. Ich befeuchte meinen Zeigefinger, wische die schwarzen Wimperntuschespuren unter meinen verquollenen Augen notdürftig weg und spritze mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht. Dann kneife ich mir mit Zeige-und Mittelfinger in die Wangen, um ein wenig Farbe auf meinen leichenblassen Teint zu zaubern und fasse die strähnigen Haare mit einer Klemmspange am Hinterkopf zusammen. Da klopft es auch schon an der Tür. Ich blicke an mir herunter. Ausgeleiertes Snoopy-Shirt und rosa Boxershorts. Zu spät, jetzt kann ich nicht mehr in einen verführerischen Seiden-Pyjama schlüpfen. Was soll’s? Ich atme tief durch und öffne die Tür. Da steht er: Verstrubbelte blonde Locken, grüne Jacke, helle Jeans. In der Hand eine langstielige rote Rose, die er mir mit einem unsicheren Lächeln entgegenstreckt. Ich versuche, ihn feindselig anzusehen. Falls Lorettas Theorie stimmen sollte. Und selbst wenn nicht. Was fällt ihm ein, am Freitagabend so eine Bombe platzen zu lassen und sich dann das gesamte Wochenende nicht mehr zu melden? Eine Frechheit ist das! Aber meine Gefühle für ihn hauen mich um. Statt ihn böse anzufunkeln, füllen sich meine verdammten Augen mit Tränen. Ich greife nach der Rose und atme ihren Duft ein.
    »Danke«, flüstere ich. Mit einem einzigen langen Schritt ist er bei mir, umschließt mich mit seinen Armen und bedeckt mein Gesicht mit Küssen.
    »Du hast mir so gefehlt. Ich liebe dich«, flüstert er. Er gibt der Wohnungstür mit dem Fuß einen Schubs, sodass sie krachend ins Schloss fällt, dann sinken wir gemeinsam auf den Laminatfußboden.
    Wo es auf die Dauer dann doch etwas unbequem wurde, weshalb wir uns schließlich zu meinem Bett vorgearbeitet haben. Jetzt liegen wir nebeneinander, ich auf dem Rücken, Gregor auf der Seite, den Kopf auf meine Brust gelegt. An den Händen wie immer einige Reste von Ölfarbe, streichelt er zärtlich meinen Bauch.
    »Gregor?«
    »Ja, Engel?«
    »Können wir jetzt vielleicht endlich mal reden?« Er richtet sich halb auf, stützt sich auf die Ellenbogen und sieht mich
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