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Zauberkusse

Zauberkusse

Titel: Zauberkusse
Autoren: Voosen Jana
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eine Grimasse und fahre mit der Zungenspitze über meine Vorderzähne. Zum tausendsten Mal verfluche ich mich dafür, dass ich die Zahnspange als Kind nicht regelmäßig getragen habe. Die deutliche Lücke zwischen den vorderen Schneidezähnen hatte ich nämlich schon damals. Der Rest meines Gebisses war auch ziemlich krumm und schief. Ich war unglaublich stolz, als ich mit neun Jahren endlich die ersehnte Klammer bekam und lief ständig mit der klappernden, pinkfarbenen Dose um den Hals herum. Bis ich aufs Gymnasium kam. Da waren Zahnspangen total uncool. Megaout. Und ich trug meine nur noch nachts. Eigentlich kann ich von Glück sagen, dass mein Gebiss dennoch relativ ansehnlich geworden ist. Aber die Lücke vorne ist geblieben. Irgendwann habe ich mich damit angefreundet. Und mir von Gregor sagen lassen, dass er sie supersexy findet. Kann ich eigentlich auch mal zwei Minuten lang nicht an den Mistkerl denken?
     
    Ich ringe mir so etwas wie ein Lächeln ab, als ich eine halbe Stunde später das Restaurant betrete und meinen Chef Norbert begrüße.
    »Oh, Luzie, Gott sei Dank, dass du da bist«, wispert er mir zu, als ich zu ihm hinter den Tresen trete. Seine sonst so fröhlichen braunen Augen haben einen gehetzten Ausdruck und auf seiner »hohen Stirn«, wie er seine Halbglatze nennt, glänzen feine Schweißperlen im Licht der Kronleuchter über uns.
    »Was ist denn los«, frage ich alarmiert und greife nach der bereitliegenden Schürze.
    »Alle haben mich im Stich gelassen. Ich bin verzweifelt«, jammert Norbert, während er in Windeseile vier bauchige Weingläser mit unserem erstklassigen Merlot füllt. »Julia und Katja haben die Grippe. Alle beide, kannst du dir das vorstellen? Daniel ist im Urlaub und Claudia erreiche ich auch nicht. Du bist meine letzte Rettung.«
    »Aber wer ist denn …«, beginne ich und nicke in Richtung der schlanken, blonden Frau am Ecktisch ganz links, von der ich nur den Rücken sehen kann, die aber ganz eindeutig eine Bestellung aufzunehmen scheint. Mir bleibt das Wort im Halse stecken, als sie sich umdreht. »Oh nein«, ächze ich und Norbert fällt in mein Stöhnen ein:
    »Ich weiß!« Er dreht die Augen gen Himmel, als seine Frau Tanja auf uns zu kommt.
    »Hallo Luzie«, begrüßt sie mich strahlend und ich umarme sie. Tanja ist nämlich eine sehr süße Person, mit Ende Zwanzig gut fünfzehn Jahre jünger als Norbert und herzensgut. Nur als Kellnerin ist sie leider eine totale Niete.
    »Also, für Tisch sieben zwei Merlot und eine Flasche Perrier. Dann einmal das Rindercarpaccio und die Steinpilzsuppe und als Hauptgang … hmm.«
    »Ja?« fragt Norbert angespannt.
    »Ähm, was hab ich denn hier geschrieben? Kannst du das lesen«, fragt Tanja mich ratlos und ich werfe einen Blick auf den Notizblock.
    »Weiß nicht? Rumpsteak?«, tippe ich ins Blaue hinein.
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Tanja, du hast es doch gerade erst aufgeschrieben. Daran musst du dich doch erinnern«, sagt Norbert mit sanfter Stimme, aber in seinen Augen flackert es bedenklich.
    »Ich weiß es wirklich nicht mehr«, meint Tanja kopfschüttelnd und macht sich auf den Weg, um den Hauptgang erneut aufzunehmen.
    »Das ist übrigens nicht Tisch sieben, sondern Tisch acht«, flüstere ich ihr zu, als sie an mir vorbeigeht.
    »Ach so, genau. Dankeschön!« Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als Norbert ihr verständnislos hinterhersieht.
    »Weißt du, Luzie, ich liebe sie wirklich, aber in meinem ganzen Leben habe ich noch keine unbegabtere Kellnerin gesehen.«
    »Ich weiß«, nicke ich und lasse meinen Blick über die noch spärlich belegten Tisch gleiten. »Wie viele Reservierungen haben wir für heute Abend?«
    »Na, was denkst du denn? Es ist Freitag.«
    »Voll ausgebucht?« Norbert nickt und ich lächele ihm aufmunternd zu. »Keine Sorge! Das schaffen wir.«
    »Du hattest recht. Zweimal Rumpsteak«, trällert Tanja und tritt an den Kassencomputer, um die Bestellung einzugeben, die dann automatisch auf dem Monitor unten in der Küche erscheint.
    »Dann mal los«, sage ich, atme noch einmal tief durch und schnappe mir mein Tablett. Während ich in Richtung Eingang gehe, um die soeben eintretenden neuen Gäste zu begrüßen, höre ich Norbert fragen:
    »Wollen sie es medium oder durch?« »Ähm …«
     
    Als ich mich um zwei Uhr morgens von Norbert und Tanja verabschiede, bin ich fix und fertig, aber glücklich. Mein Chef küsst mich schmatzend auf beide Wangen.
    »Du bist ein Goldstück«, schwärmt
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