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Zauber einer Winternacht

Zauber einer Winternacht

Titel: Zauber einer Winternacht
Autoren: Nora Roberts
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faszinierte ihn.«
    »Jetzt erinnere ich mich«, murmelte sie. »Ich habe einmal einen Artikel über dich gelesen, und darin stand auch etwas über ihn. Er hat in Washington gearbeitet.«
    »Als Pflichtverteidiger. Die Entscheidung löste bei vielen Leuten ein Kopfschütteln aus. Fette Honorare und Firmenrecht interessierten ihn nicht. Viele Leute dachten, na gut, der braucht das Geld nicht, der hat ohnehin genug davon. Aber die verstanden nicht, dass er auch ohne das Aktienpaket seiner Familie genau dasselbe getan hätte. Er war kein Heiliger.« Gabriel setzte Michael in sein Bettchen und zog das Mobile auf. »Aber er war der Beste von uns, der Beste und Klügste, wie mein Vater immer sagte.«
    Sie war aufgestanden, aber unsicher, ob sie zu ihm hinübergehen sollte. »Das sieht man an seinem Porträt. Du musst ihn sehr geliebt haben.«
    »Man denkt über so etwas nicht nach. Dass ein Bruder den anderen liebt. Entweder ist es so oder es ist nicht so. Man redet nicht darüber, weil es nicht ausgesprochen werden muss. Und dann bedauert man, dass man es nicht getan hat.«
    »Er hat bestimmt gewusst, dass du ihn liebst. Er brauchte nur das Porträt anzusehen.«
    Mit den Händen in den Taschen ging Gabriel zum Fenster. Darüber zu reden fiel ihm leichter, als er erwartet hatte. »Jahrelang habe ich ihn genervt, damit er für mich Modell sitzt. Die ganze Familie hat sich darüber amüsiert. Und dann haben wir um fünf Sitzungen gepokert. Ich gewann, ein Herz-Flush gegen seinen Drilling.« Der Schmerz krallte sich in ihn, nicht mehr frisch, aber noch immer stechend. »Das war das letzte Mal, dass wir spielten.«
    »Was ist mit ihm passiert?«
    »Ein Unglück. Ich habe nie an Unglücke geglaubt. Pech, Schicksal, Bestimmung, aber sie nannten es ein Unglück. Er war in Virginia, um für einen Fall zu recherchieren, und nahm eine kleine Zubringermaschine nach New York. Wenige Minuten nach dem Start stürzte sie ab. Er wollte nach New York, weil ich dort eine Ausstellung hatte.«
    Jetzt gab es kein Zögern mehr. Sie ging rasch zu ihm hinüber und legte die Arme um ihn. »Und du gibst dir die Schuld an seinem Tod. Das darfst du nicht.«
    »Er wollte meinetwegen nach New York. Um für mich da zu sein. Ich habe erlebt, wie meine Mutter zum ersten und einzigen Mal in ihrem Leben vollkommen zusammengebrochen ist. Ich musste mitansehen, wie mein Vater durch sein eigenes Haus lief, als wäre es für ihn eine völlig unbekannte Umgebung. Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte.«
    Sie strich ihm über den Rücken. »Ich habe noch nie jemanden verloren, den ich liebte, aber jetzt, wo ich dich und Michael habe, kann ich mir vorstellen, wie erschütternd es sein muss. Dinge geschehen eben manchmal, ohne dass man jemandem die Schuld geben kann. Ob das nun ein Unglück oder Schicksal ist, weiß ich nicht.«
    Er legte die Wange an ihr Haar und sah zu den Blumen hinaus, die sie gepflanzt hatte. »Ich ging für eine Weile nach Colorado, um allein zu sein und herauszufinden, ob ich wieder würde malen können. Hier konnte ich es nicht mehr. Als ich dich fand, war ich schon dabei, mein Leben langsam wieder in den Griff zu kriegen. Ich konnte wieder arbeiten, konnte wieder daran denken, nach Hause zurückzukehren. Aber etwas fehlte noch.« Er sah sie an und nahm ihr Gesicht zwischen die Hände. »Und die Lücke hast du gefüllt.«
    Ihre Finger schlossen sich um sein Handgelenk. »Das freut mich.«
    Wir werden es schaffen, dachte sie. Was immer geschieht, wir werden es schaffen. Manchmal reicht es, wenn man gebraucht wird.
    »Gabriel.« Sie ließ die Finger nach unten gleiten. »Die Bilder in deinem Atelier. Die gehören dort nicht hin. Es ist falsch, sie dort zu verstecken, gegen die Wand gelehnt, als existierten sie überhaupt nicht. Wenn dein Bruder so stolz auf dich war, dass er deine Ausstellung besuchen wollte, ist es an der Zeit, deine Bilder wieder öffentlich zu zeigen. Er würde es wollen. Widme ihm die Ausstellung. Es gibt keinen besseren Weg, zu beweisen, wie sehr du ihn geliebt hast.«
    Er war drauf und dran gewesen, ihre Worte als Trost abzutun, doch der letzte Satz war weit mehr als das. »Er hätte dich gemocht.«
    »Wirst du es tun?«
    »Ja.« Er küsste sie auf ihren Mund, der sich zu einem Lächeln verzogen hatte. »Ja, es ist an der Zeit. Das weiß ich schon länger, ich bin nur nicht fähig gewesen, den letzten Schritt zu machen. Ich werde Marion alles Notwendige arrangieren lassen.« Sie verkrampfte sich, und obwohl
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