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Zauber einer Winternacht

Zauber einer Winternacht

Titel: Zauber einer Winternacht
Autoren: Nora Roberts
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gewesen.
    Weil er vergessen hatte, eine Mütze aufzusetzen, fiel ihm das dunkelblonde Haar etwas unordentlich ums Gesicht. Es war lang, reichte bis über den Kragen des Parka und war vor Stunden mit gespreizten Fingern hastig in Form gebracht worden. Seine dunkelgrünen Augen brannten von dem glitzernden Schnee, in den er unentwegt gestarrt hatte.
    Während die Reifen auf dem schneebedeckten Asphalt knirschten, sah er auf das Zählwerk neben dem Tachometer. Eine Viertelmeile bis zum Ziel. Als er wieder auf die Straße blickte, tauchte vor ihm ein offenbar außer Kontrolle geratenes Fahrzeug auf.
    Ihm blieb nicht einmal Zeit zum Fluchen. Er riss den Jeep gerade in dem Moment nach rechts, als der entgegenkommende Wagen seinen Schleuderkurs etwas zu verlangsamen schien. Der Jeep glitt über den am Straßenrand aufgetürmten Schnee und schwankte bedrohlich, bevor die Reifen endlich wieder Halt fanden. Sekundenlang hatte er fürchten müssen, dass der Jeep wie eine hilflose Schildkröte auf dem Rücken landen würde. Als der Schreck vorüber war, blieb ihm nichts anderes übrig, als ruhig sitzen zu bleiben und zu hoffen, dass der andere Fahrer ebenso viel Glück haben würde.
    Dessen Wagen kam jetzt seitwärts die Straße herab auf den Jeep zu. Gabriel malte sich bereits aus, mit welcher Wucht er auf ihn prallen würde, als der andere Fahrer sein Gefährt buchstäblich in letzter Sekunde wieder unter Kontrolle bekam. Der Wagen drehte sich einmal um seine Achse, bis er nicht mehr mit der Breitseite, sondern mit dem Heck nach vorn über den Schnee glitt. Er verfehlte den Jeep nur um wenige Zentimeter und rutschte auf das Schutzgeländer zu. Gabriel zog die Handbremse an und sprang aus dem Jeep, als der Wagen mit dem stabilen Metall kollidierte.
    Fast wäre er aufs Gesicht gefallen, doch die Profilsohlen gruben sich fest in den Schnee, während er über die Straße rannte. Es war ein Kleinwagen, jetzt sogar noch etwas kleiner als vom Hersteller vorgesehen. Die rechte Seite war eingedrückt, die Motorhaube über die gesamte Wagenbreite wie ein Akkordeon zusammengeschoben. Gabriel verzog das Gesicht bei der Vorstellung, was passiert wäre, wenn der Wagen mit der Fahrerseite gegen das Geländer geprallt wäre.
    Er kämpfte sich durch den Schnee zu dem demolierten Wagen. Eine Gestalt saß zusammengesunken hinter dem Lenkrad. Er riss an der Tür. Sie war verschlossen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, während er gegen die Scheibe hämmerte.
    Die Gestalt bewegte sich. Eine Frau, daran ließ das dichte weizenblonde Haar, das auf den dunklen Mantel fiel, keinerlei Zweifel. Er sah, wie sie eine Hand hob und sich die Skimütze vom Kopf streifte. Dann drehte sie das Gesicht zum Fenster und starrte ihn an.
    Sie war weiß, weiß wie Marmor. Selbst ihre Lippen hatten jede Farbe verloren. Ihre Augen waren riesig und dunkel, jede Iris fast schwarz vor Schock. Und sie war schön, geradezu atemberaubend schön. Der Künstler in ihm sah sofort, was für Möglichkeiten ihr Gesicht bot, die makellosen Züge, die hervorstehenden Wangenknochen, die volle Unterlippe. Der Mann in ihm verwarf sie sofort und hämmerte erneut gegen die Scheibe.
    Sie blinzelte mit den Augen und schüttelte den Kopf, als ob sie ihn erst wieder klar bekommen müsse. Als der Schock aus ihnen wich, sah er, dass ihre Augen blau waren, mitternachtsblau. Jetzt füllten sie sich mit Besorgnis. Mit rascher Bewegung kurbelte sie die Scheibe hinunter.
    »Sind Sie verletzt?«, fragte sie, bevor er etwas sagen konnte. »Habe ich Sie getroffen?«
    »Nein, Sie haben das Schutzgeländer getroffen.«
    »Dem Himmel sei Dank.« Sie ließ den Kopf kurz gegen die Sitzlehne zurückfallen. Ihr Mund war staubtrocken. Und ihr Herz raste, obwohl sie bereits um Fassung rang. »Oben an der Kuppe bin ich ins Schleudern gekommen. Ich dachte – ich hoffte –, dass ich ihn wieder in den Griff bekomme. Aber dann sah ich Sie und war mir sicher, dass ich mit Ihnen zusammenstoßen würde.«
    »Das wären Sie auch, wenn Sie nicht in Richtung auf das Geländer ausgewichen wären.« Er sah nach vorn, zur Motorhaube. Der Schaden hätte größer ausfallen können, viel größer. Wenn sie schneller gefahren wäre … Es hatte keinen Sinn, sich das auszumalen. Er wandte ihr wieder den Blick zu, suchte in ihrem Gesicht nach Anzeichen des Schocks oder einer Gehirnerschütterung. »Sind Sie in Ordnung?«
    »Ja, ich glaube schon.« Sie öffnete die Augen und versuchte, ihn anzulächeln. »Es tut mir leid. Ich
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