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Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Titel: Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Autoren: Ellen Renner
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Swift geliebt. Und du hasst deinen Vater dafür, dass er sie getötet hat. Nun, du kannst ihn auch dafür hassen, dass er deine Mutter getötet hat. Ich vermute, das hat man dir verschwiegen.«
    Die Gefühle, die in dem alten Mann aufwallten, trafen mich mit einer solchen Wucht, dass ich keinen Augenblick an der Aufrichtigkeit seiner Worte zweifelte. Es geschah wirklich. Mein Leben war im Begriff, sich zu verändern. Schon wieder. Und ich wusste nicht, was mich mehr erschütterte: dass ich nicht länger allein war, dass ich endlich jemanden gefunden hatte, der Benedict ebenso hasste wie ich – oder dass mein Vater meine Mutter umgebracht hatte. Sie war nur der Schatten einer Erinnerung für mich. Sie starb, als ich fast noch ein Baby war, aber zu wissen, dass Benedict sie mir genommen hatte – so wie Swift –, meißelte eine neue Kerbe aus Schmerz in meine Seele.
    Ich war erschüttert, ja, aber nicht überrascht. Alles ergab nun einen Sinn: all die Dinge, die mein Vater in den letzten Jahren angedeutet oder gesagt hatte. Warum er mich so oft mit düsterem Blick ansah und ich das Gefühl der Verbitterung und Niederlage darin spürte, und zugleich den unbedingten Willen, mich zu beherrschen, weil er es nicht geschafft hatte, sie zu beherrschen.
    »Es tut mir leid«, sagte Gerontius schließlich. Er richtetesich seufzend auf, nahm einen Bogen Papier von seinem Pult und kam schweren Schrittes auf mich zu. »Aber ich habe etwas, das dir vielleicht dabei hilft, herauszufinden, wer du sein möchtest. Sie kann sich sehr gut ausdrücken, die kleine Swift. Ihre Handschrift mag ein bisschen ungelenk sein, doch wer wollte ihr daraus einen Vorwurf machen?«
    Er war ein Wunder, dieser Mann. Tränen strömten mir übers Gesicht. Also war sie nicht ganz weg. Etwas von ihr war noch hier.
    »Sie kam zu mir«, fuhr er fort. »Sie wusste über mich Bescheid, woher kann ich nicht sagen. Ich vermute, sie hat die Erkenntnissuchenden aufgespürt und ist mit ihnen in Kontakt getreten. Wirklich erstaunlich. Sie war gerade erst acht geworden. Sie war klug. Sehr, sehr klug. Was für eine verfluchte Verschwendung! «
    Er sah mich an, als wäre ich diejenige, die sie getötet hatte. Ich zuckte unter seiner Wut und seiner Enttäuschung zusammen.
    »Ich bin Lehrer, Zara. Ich hasse die Vergeudung von Potenzial. Deswegen wurde ich zum Ketzer, genau wie deine Mutter. Es hat nie viele von uns gegeben. Die meisten fanden den Tod … oder wurden wahnsinnig. Aber ich kann nicht anders, als zu hoffen, dass wir eines Tages die Verhältnisse ändern werden. Gelingt es uns nicht, wird es uns wohl wie den Erschaffern ergehen. Manchmal frage ich mich, ob das nicht sogar das Beste wäre.«
    Es war das Schockierendste, was er bislang gesagt hatte.
    Dann streckte er seine von Altersflecken übersäte Hand aus und reichte mir lächelnd das Blatt Papier. »Hier«, sagte er. »Lies das. Sie hat mich gebeten, es für den Fall aufzubewahren,dass ihr etwas zustößt. Damit ich es dir geben kann, wenn die Zeit reif ist. Sie hat an dich geglaubt. Enttäusche sie nicht.«
    Ich nahm den Brief. Das Papier, auf dem er geschrieben war, war einmal die unbedruckte letzte Seite eines Buchs gewesen. Der abgerissene Rand war glatt und gerade. Ich sah vor meinem inneren Auge, wie Swifts Finger immer und immer wieder über die Knickkante fuhren und die Seite schließlich behutsam heraustrennten. Es musste ihr sehr schwergefallen sein, ein Buch zu beschädigen.
    Als ich zu Gerontius aufblickte, lag in seinen Augen so viel Verständnis, dass ich es kaum ertrug.
    Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und rannte davon, voller Furcht, dass er es sich anders überlegen könnte … oder dass das alles letztlich doch nur ein Trick, eine Falle gewesen war. Später, als ich allein in meiner Kammer saß, hielt ich den Brief in meinen zitternden Fingern und las zum ersten Mal diese Worte:

    Liebe Zara,
    ich muss Dir die Dinge schreiben, die ich nicht sagen kann.
    Ich werde schon bald von hier fortgehen. Es tut mir leid, aber ich kann nicht anders. Ich will hinter den Großen Wall – zu den Städten der Erschaffer. Bei ihnen werde ich endlich lesen dürfen. Sie werden mir helfen, all das zu lernen, was ich wissen muss. Ich werde frei sein.
    In der Bibliothek Deines Vaters gibt es Bücher über die Erschaffer, doch die Magier, die sie geschrieben haben, erzählen darin viele Lügen. Es ist schwer, die Wahrheit herauszufinden. Aber es gibt Menschen in Asphodel, die Dir dabei
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