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Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Titel: Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Autoren: Ellen Renner
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behilflich sein können. Sie werden Erkenntnissuchende genannt. Frag Gerontius nach ihnen.
    Nimm Dich vor Deinem Vater in Acht. Er ist einer der Lügner. Schlimmer noch: Er hat Deine Mutter umgebracht. Es tut mir so leid für Dich, denn ich weiß, was es bedeutet, seine Mutter zu verlieren.
    Wenn ich fort bin, suche nach der Wahrheit über die Erschaffer. Nach der Wahrheit über Deine Mutter. Es findet sich alles in der Bibliothek Deines Vaters. Er hält dort all seine Taten schriftlich fest, ganz gleich, wie schändlich sie waren.
    Versprich mir, dass Du nach mir suchen wirst, sobald Du die Möglichkeit dazu hast. Ich werde Dich immer lieben. Du bist wie eine Schwester für mich – meine andere Hälfte. Ich gehe nicht, weil ich Dich nicht liebe. Ich gehe, weil ich niemals leben werde, wenn ich bleibe. Und ich muss leben.
    Vergib mir und vergiss mich nicht.
    Deine Schwester,
    Ita
    Darunter hatte sie ein Bild von einer Schwalbe im Flug gezeichnet. Es ist ein ausdrucksstarkes Bild und so unverstellt, wie nur Kinder malen können. Als ich jetzt in der vergitterten Dunkelheit meiner Kammer sitze, streiche ich mit der Fingerspitze behutsam über einen ihrer ausgebreiteten Flügel.

4
    G erontius’ Verschwinden wird in der Akademie im Nu zu einer Legende. Die Schüler sprechen über nichts anderes und stellen wilde Spekulationen über das Schicksal des Tutors an, der genauso Teil dieses Gemäuers gewesen zu sein scheint wie die Steine, aus denen es errichtet wurde. Sein Zimmer existiert nicht mehr. Es ist, als wäre es nie da gewesen. Die Untergebenen meines Vaters müssen die Wände eingerissen und den toten alten Mann gefunden haben. Haben sie ihn fortgeschafft oder einfach wieder eingemauert? Ich werde es nie erfahren und es spielt auch keine Rolle. Gerontius ist tot. Nacheinander hat Benedict mir die Menschen genommen, die ich liebe. Ich schwöre bei allen Göttern, dass ich ihn für jeden von ihnen bezahlen lassen werde. Mit Blut.
    Der Weg, der sich zur Akademie hinaufwindet, ist von Nachzüglern bevölkert, die wie ich selbst meist als Letzte in den Unterricht kommen. Ich halte mich abseits von ihnen, fühle mich so durchsichtig und zerbrechlich wie Glas. Der kalte Wind weht getuschelte Gesprächsfetzen zu mir herüber: Gerontius hat einen Durchgang zur Zeit entdeckt. Gerontius hat einen Weg gefunden, den Tod zu besiegen, und sein Geheimnis ist irgendwo in der Akademie versteckt. Man muss nur schlau genug sein, es zu finden.
    Wie leicht sie doch hinters Licht zu führen sind. Der alte Mann hätte sich darüber amüsiert. Als ich die Treppe erreicht habe und eilig hinauflaufe, versuche ich, die sich vor verschwörerischem Eifer überschlagenden Stimmen auszublenden, ihren einfältigen Fantasien zu entkommen.
    Ich habe gerade die letzte Stufe genommen, da sehe ich den Hüter meines Vaters im Portikus stehen. Er ist ein großer Mann mit einem breiten Gesicht, einer stumpfen Nase und dunklen Haaren, die zu einem schweren Zopf geflochten sind. Der Ausdruck in seinen braunen Augen ist leer, wie bei allen Wächtern. Sein Name ist Otter und er ist mir unheimlich. Alle Wächter sind mir unheimlich. Wegen der Leere in ihren Augen und weil ich den Grund dafür kenne. Als Otters Blick an mir hängen bleibt, schnürt Angst mir den Magen zu. Was hat Benedicts Hüter in der Akademie zu suchen? Soll er mich beschatten? Hat mein Vater womöglich etwas Belastendes in Gerontius’ Hinterlassenschaften gefunden?
    Seit Tagen schon balanciere ich am äußersten Rand meiner Selbstbeherrschung. Und jetzt verliere ich plötzlich das Gleichgewicht. Den Blick auf Otter geheftet, gehe ich auf ihn zu. Er sieht mir mit der Ruhe eines Wächters entgegen – einer von unerschütterlichem körperlichen Selbstvertrauen rührenden Ruhe –, und während ich mich ihm nähere, bin ich mir überdeutlich der schieren Größe und Stärke dieses Mannes bewusst, seiner muskulösen Arme in der ärmellosenTunika, der bronzefarbenen, ihn als Wächter kennzeichnenden Bänder, die um seine Gelenke gebunden sind, und der glänzenden hellen Narbe auf seiner rechten Schulter, wo ihm das Magier-Insigne meines Vaters ins Fleisch gebrannt wurde.
    Ich bleibe vor ihm stehen und er sieht mir in die Augen, was meine Nervosität verstärkt. Vieh vermeidet es üblicherweise, uns in die Augen zu schauen. Aber Wächter sind kein normales Vieh. Sie sind noch nicht einmal normale Tribute. Ihr Geist ist so brutal gebrochen worden, dass sie keinen eigenen Willen mehr
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