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Zärtlichkeit des Lebens

Zärtlichkeit des Lebens

Titel: Zärtlichkeit des Lebens
Autoren: Nora Roberts
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an ihr Nervenflattern im Aufzug vor wenigen Minuten. All diese Qualen hätte sie sich sparen können! Sie atmete tief aus. »Warum haben Sie mir das nicht von vornherein erzählt, statt mich hier auf Kohlen sitzen zu lassen?«
    »Mr. Haladay wollte gerne, daß ich mir einen persönlichen Eindruck von Ihnen mache. Hätten Sie die Entscheidüng schon gekannt, wären meine Fragen nur Spielerei gewesen.«
    Freudige Erregung begann jetzt die Oberhand über ihre anderen Gefühle zu gewinnen. Sarah unterdrückte sie. Sie wollte sie sich für später, wenn sie sie auch genießen konnte, aufsparen. Byron sprach weiter, und sie zwang sich
dazu,
ihm ruhig zuzuhören.
    »Phoenix wird Ihnen bestimmt gefallen, Miß Lancaster, wenn Sie sich erst einmal hier eingewöhnt haben.«
    »Phoenix? Ich dachte, die Stellenausschreibung bezog sich auf die New Yorker Niederlassung.« Ihre Stimme verklang zu einem Gemurmel. »Ich hatte gar nicht damit gerechnet, daß ich nach Phoenix ziehen müßte.«
    »Stellt das ein Problem für Sie dar?«
    Einen Moment starrte sie ihn an, als sie im Geiste seine Frage wiederholte. Ein Problem? Ist es ein Problem? Traurigkeit trat flüchtig in ihre Augen, dann war sie verschwunden. »Ich kann sofort alles Nötige in die Wege leiten und bis Ende des Monats in Phoenix sein. Werde ich Mr. Haladay kennenlernen, wenn ich mich hier erst eingerichtet habe?«
    »Sie handeln recht flott, nicht wahr?« Byron beobachtete ihren Umschwung innerhalb von zehn Sekunden von Wehmut über praktisches Denken zu Eifer.
    »Himmel, ja. Und wenn ich jetzt auch schnell bin, erwische ich die Nachmittagsmaschine nach New York noch.« Sarah durchquerte das Büro. »Ich muß erst noch ein Projekt abschließen, ehe ich meine beruflichen Verpflichtungen lösen und mich auch um allerhand private Angelegenheiten kümmern kann. Eigentlich vergeht ein Monat doch wie im Flug. Und der Mai hat nur dreißig Tage.«
    »Einunddreißig«, verbesserte Byron sie automatisch, während er sie zur Tür begleitete.
    »Nun, was macht ein Tag schon aus?« Sarah wandte sich ihm zu und schaute ihn lange und offen an. Wie es wohl war, mit ihm zu arbeiten? Schwierig zu beurteilen – nach dem Vorstellungsgespräch.
    »Auf Wiedersehen, Mr. Lloyd«, sagte sie energisch und streckte die Hand aus. »Ich melde mich.«
    Er ließ ihre Hand nicht los, sondern legte seine linke noch über ihre, die schon auf dem Türgriff lag. So stellte er eine seltsame, intensive Verbindung her. Sie konnte nur knapp den Drang, sich loszureißen, unterdrücken. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich sowohl im Gleichklang als auch uneins mit ihm.
    »Rufen Sie Dave an, wenn Sie soweit sind. Das Unternehmen läßt dann Ihre Sachen hierher transportieren.« Seine Stimme klang geschäftsmäßig, aber Sarah fing ein flüchtiges, rätselhaftes Aufblitzen in seinen Augen auf.
    »In Ordnung«, stimmte sie zu. »Gibt es noch etwas zu besprechen?«
    Sein Blick wich dem ihren nicht aus. Erst jetzt fiel ihr auf, daß sie ihn während des ganzes Gesprächs noch kein einziges Mal hatte lächeln sehen.
    »Einen guten Flug«, sagte er und machte ihr die Tür auf.

2
    Drei Wochen danach saß Sarah in einem alten Plüschbademantel mit übergeschlagenen Beinen zwischen einem Haufen Kisten und Umzugskartons. Die Fenster ihrer Wohnung waren weit geöffnet und ließen die New Yorker Atmosphäre an ihrem letzten Abend in dieser Stadt ins Zimmer.
    Acht Stockwerke weiter unten toste und pulsierte es. Liza Minnelli hatte gerade am Broadway Premiere, zwei Stadtstreicher zählten ihre Tageseinnahme an einem Brunnen gegenüber von Radio City, Bloomingdale bekam eine neue Lieferung von Gucci, und eine Geschichtslehrerin wurde in diesem Moment im Central Park überfallen.
    In der Küche stand Benedict Eager, ein Psychiater mit Praxis auf der Fifth Avenue, und schenkte Wein in mit Comicfiguren verzierte Senfgläser. Fast ein Jahr lang hatten sie eine gemütliche Liebesbeziehung gepflegt, wie Sarah sich ausdrückte. Eine Beziehung, in deren Rahmen jeder die Füße auf den Tisch legen konnte, die keine Kinkerlitzchen brauchte, keine Blumen und kein Kerzenlicht. Sie sahen einander in klarem Licht, ohne Weichblende. Mit Benedict konnte sich Sarah völlig entspannen.
    Er war ein kleiner, magerer Mann Ende Dreißig mit runder Nickelbrille, der stolz einen üppigen braunen Bart zur Schau trug, weil er meinte, daß dies zu seinem Image paßte. In seiner Sprache schimmerte noch immer ein Bostoner Akzent durch, obwohl er schon
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