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Zärtlichkeit des Lebens

Zärtlichkeit des Lebens

Titel: Zärtlichkeit des Lebens
Autoren: Nora Roberts
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Blick, dachte er. Ihm entgeht nicht viel. Scharf wie ein Skalpell.
    Sarah streckte die Hand nach ihm aus. Ihre schlanken Finger fühlten sich fest in den seinen an.
    Sarah wollte und brauchte die gleiche Hingabe, die sie selbst auch gab. Leute, die sich distanziert verhielten oder mit ihren Gefühlen knauserten, waren ihr ein Rätsel. Sie blühte auf im Umgang mit anderen, durch die Berührung einer Hand etwa oder durch ein Wort, das Streifen an einer Schulter in einem überfüllten Aufzug. Sie packte Benedicts Hand fester, klammerte sich an das Vertraute.
    »Es wäre anders, wenn wir verliebt gewesen wären. Richtig verliebt.«
    Er schenkte ihr sein kleines, ironisches Lächeln. »Ach, wirklich?«
    Sie stieß enttäuscht den Atem aus. »Verflixt, jetzt spiel mir nicht den Seelendoktor vor.« Sarah stand auf und ging durchs Zimmer, ehe sie stehenblieb und sich Wein nachschenkte.
    »Weiß Gott, eigentlich sollten wir ineinander verliebt sein. Es ist absolut lächerlich, daß wir’s nicht sind. Vielleicht sind wir’s auch und wissen es nicht einmal. Wir haben uns den
Malteser
Falken
zweiunddreißigmal zusammen angeschaut – das will doch was heißen.« Lieber Himmel, dachte sie wütend, das ist nicht nur ein Umzug, sondern eine Amputation… ein völliger Bruch mit allem Vertrauten. Was weiß ich schon über Phoenix?
    Was weiß ich, wie es in einem so riesigen Unternehmen wie Haladay zugeht? Was verleitet mich zu der Annahme, ich könnte das so leicht packen wie einen Wochenendtrip nach Long Island? Sie stürzte noch etwas Wein hinunter und tigerte im Zimmer hin und her, bis sich ihre Gedanken allmählich beruhigten. Vor Benedict blieb sie schließlich stehen und legte mit einem Seufzer ihre Stirn an die seine. »O Gott, was mache ich nur ohne dich?«
    »Alles.« Er gab ihr einen freundschaftlichen Klaps auf den Po. »Das ist nur die Aufregung; das geht vorbei.« Kurz dachte er daran, daß es ihm noch bevorstand, mit der Lücke, die ihr Abschied in seinem Leben reißen würde, zu leben. »Du weißt doch – das ist genau das, was du brauchst und was du willst; sonst würdest du nicht gehen. Du hast lange auf eine solche Gelegenheit gewartet.«
    »Ich möchte ja auch gehen«, gab sie zu. »Ich muß gehen. Du bist ja so gescheit.«
    »Aha, du hast dich wieder mit meiner Mutter unterhalten.«
    Ihr belustigtes Glucksen entzückte ihn. Ohne das Glas abzusetzen, schlang sie ihm die Arme um den Hals. »Niemand in Phoenix weiß, wie man mich zum Lachen bringt, wie man mir den Rücken abrubbeln muß oder wohin ich meine Schlüssel verlege.«
    »Aha, deshalb magst du mich also?« Benedict küßte sie kurz, überlegte es sich anders und gab ihr dann einen langen, ausgiebigen Kuß. Seine Hände glitten zu ihren Hüften. »Deine Anziehungskraft ist zu vielfältig, als daß man alles aufzählen könnte.«
    Die Wange an die seine geschmiegt, sagte sie leise: »Ich hätte die vergangenen Monate ohne dich nie durchgestanden. Du hast mich nach dem Verlust meiner Eltern nicht nur aufgerichtet. Du hast es geschafft, daß ich heil geblieben bin. Immer wenn ich dabei war, in Stücke zu zerfallen, warst du zur Stelle.«
    »Du bist eine starke Frau, Sarah«, sagte er, während er ihr mit den Fingern durchs Haar strich. Ihr Duft umwehte ihn, und er runzelte die Stirn. Sie würde eine größere Lücke hinterlassen, als er gedacht hatte. »Du wärst auf jeden Fall auf den Füßen gelandet, ob nun mit mir oder ohne mich. Ich habe den Aufprall nur ein wenig abgemildert.«
    »Nein.« Er spürte, wie sie energisch den Kopf schüttelte. Sie schlang ihm die Arme noch fester um den Hals. »Das glaube ich nicht. Wenn du nicht beim Tod meiner Eltern bereits ein Teil meines Leben gewesen wärst, hätte ich dich wahrscheinlich am Ende beruflich statt privat gebraucht.«
    Er küßte sie aufs Ohr. »Ich verlange fürchterlich hohe Honorare.«
    »Kapitalist«, murmelte sie.
    »Weißt du, wo unser Problem liegt, Sarah? Wir mögen uns zu gern. Wir sind zu sehr in Einklang miteinander.« Wange ruhte noch immer an Wange. »Es gab nie einen Kurzschluß, nichts, wodurch es einem von uns unbehaglich geworden wäre. Liebe, Leidenschaft brauchen ein wenig Verzweiflung – ein paar Beulen und Kratzer.«
    Einen Augenblick bewegte sich Sarah nicht und genoß nur seine Wärme und seine vertraute Nähe. Er hat natürlich recht, dachte sie. Sie waren einander immer mehr Freunde und nicht so sehr Geliebte gewesen. Ihre Liebesnächte hatte sie stets als angenehm, nie als
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