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Zärtlicher Hinterhalt

Zärtlicher Hinterhalt

Titel: Zärtlicher Hinterhalt
Autoren: Christina Dodd
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große Halle.
    Der riesige Gobelin erstreckte sich über die Wand: eine atemberaubende Zurschaustellung absoluter Kunstfertigkeit in einem Raum, der groß genug dafür war und geschichtsträchtig genug, dem Kunstwerk gerecht zu werden. Der königsblaue Hintergrund war mit gelben Sternen übersät, trug einen silbernen Mond und eine goldene Sonne. Die Juwelen ergossen sich in strahlendem Smaragdgrün, Saphirblau und Rubinrot aus der royalen Schatulle. Rote, weiße und rosafarbene Rosen wanden sich die Randbordüren entlang. Und inmitten all dessen thronte Queen Victoria selbst, in ihrem Krönungsornat, daneben Albert mit seinen neu gewebten, gleichmäßigen Gesichtszügen.
    Sogar Hannah, die das Gebilde kannte, daran mitgearbeitet und sich darum gesorgt hatte, war tief, beeindruckt.
    Die Tanten standen da und starrten die Königin an.
    Die Königin stand da und starrte den Wandteppich an.
    Und schwieg derartig lange, dass Hannah sich schon unbehaglich fühlte.
    Endlich regte sie sich und wandte sich den Tanten zu. Mit zitternder Stimme sagte sie: »Sie haben an diesem Wandteppich also vierundzwanzig Jahre gearbeitet?«
    »Und ein paar Monate rauf oder runter«, meinte Tante Spring. »Auch muss ich zugeben, dass wir nicht halb so enthusiastisch gewesen wären, wenn Sie ein Kronprinz geworden wären.«
    Tante Springs Freimut entlockte den Gästen das eine oder andere Hüsteln, und Hannah unterdrückte ein Lächeln.
    Queen Victoria streckte den Tanten die Hände entgegen.
    »Ich bin zutiefst gerührt von Ihrer Herzlichkeit und Ergebenheit. Ihre schöpferische Gabe und Kunstfertigkeit sind ohne Beispiel. In meinem eigenen Namen und im Namen der kommenden Generationen Englands, die diesen Wandteppich zu schätzen wissen werden, nehme ich hocherfreut Ihr Geschenk entgegen!«
    Prince Albert ergänzte: »Der Wandteppich wird einen Ehrenplatz im Buckingham Palace erhalten!«
    Auf ein Nicken Hannahs hin versammelten sich die Tanten um die Königin, um ihr die Hand zu reichen und sie natürlich »Liebe« zu nennen.
    In ihrem klarsten Tonfall verkündete Tante Isabel in Dougalds Richtung: »Miss Setterington hatte Recht. Ihre Majestät ist keine Ignorantin.«

Kapitel 31
    Den ganzen Tag über hatte Tante Isabel schon ihre lauten Kommentare abgegeben, und sie verschonte auch Dougald nicht. »Lieber, unsere Nachbarn scheinen sich wegen Ihres Rufs, ein Mörder zu sein, doch keine allzu großen Sorgen zu machen. Sie sind alle gekommen.« Sie zeigte auf die Menschenmenge, die sich aus der Eingangshalle ergoss.
    Dougald war sich bewusst, dass ein paar dieser Nachbarn durchaus mithörten, und sagte nur: »Und ich heiße sie alle willkommen!«
    »Ja, es ist wahrhaftig ein Triumph für uns!« Tante Isabel lächelte von einem Ohr zum anderen. Sie lehnte sich noch näher zu Dougald und senkte ausnahmsweise die Stimme. »Glauben Sie, dass sich auch die Gerüchte über Springs Baby verbreitet haben?«
    »Mit Sicherheit.«
    »Aber es scheint keine Rolle zu spielen, oder? Sehen Sie nur, wie unser gutes Mädel sich mit unserer Monarchin unterhält. Ihre Majestät liebt Tante Spring. Die Nachbarn werden es niemals wagen, über sie zu tuscheln.« Tante Isabel nahm einen kräftigen Schluck aus dem Glas. »Diese hohlköpfigen Bastarde!«
    Tante Isabel, musste Dougald feststellen, hatte dem Glühwein ein wenig zu tüchtig zugesprochen.
    Tante Ethel kam dazu und hakte Isabel unter. »Minnie schickt mich, dich zu holen. Ihre Majestät möchte noch einmal mit uns vieren sprechen.«
    Tante Isabel grinste Dougald an.
»Mich
mag Ihre Majestät nämlich auch!«
    Dougald nahm ihr das Glas aus der Hand. »Ja, davon bin ich überzeugt.« Er hegte den Verdacht, dass Queen Victoria ihren Spaß daran hatte, ständig »Liebe« genannt zu werden und Gegenstand jener unschuldig unverblümten Kommentare zu sein, mit denen sich die vier Damen, die Dougald seine Tanten nannte, in alles einmischten.
    »Dougald, Lieber«, sagte Tante Ethel. »Die liebe Hannah steht ganz alleine herum. Vielleicht ist sie zu schüchtern. Wollen Sie nicht zu ihrer Rettung eilen?«
    Dougald wusste genau, dass Tante Ethel Hannah nicht für schüchtern hielt. Sie versuchte schon wieder – oder immer noch –, sie beide zu verkuppeln.
    Auch er wusste, dass Hannah nicht schüchtern war, sondern jetzt nur unruhig. Die Gäste strömten herein, und Hannah spähte auf der Suche nach ihren Großeltern von einem Gesicht ins andere. Bis jetzt waren die Burroughs noch nicht eingetroffen; aber das lag
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