Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Xperten - e-Smog: Elektromagnetische Umweltverschmutzung

Xperten - e-Smog: Elektromagnetische Umweltverschmutzung

Titel: Xperten - e-Smog: Elektromagnetische Umweltverschmutzung
Autoren: Hermann Maurer
Vom Netzwerk:
sich ihrer Schultasche, die auf ihren schmalen Schultern übergroß wirkt, entledigt und sie auf den Boden fallen lässt. Paul hat einen seiner »schlechten Tage« und ist deshalb den ganzen Tag im Bett geblieben.
    »Wirst du Teil des K&D3G 2 ?«, ruft das Mädchen und hechtet mit einem Sprung auf das Bett des Bruders. »Evette, geh runter von mir!«, lacht Paul.
    Evette ignoriert seine Aufforderung, greift über ihm nach den Vorhängen und zieht sie zurück. Strahlendes Sonnenlicht flutet in den dämmrigen, beengten Raum. Ein Lichtstrahl fällt auf Pauls mageren Arm.
    »Los, gestehe, oder …«, sagt sie mit spielerisch gerunzelter Stirn, um den Ernst der Lage zu unterstreichen, und hebt drohend die Hand, bereit zur Kitzelattacke. Ohne Pauls Antwort abzuwarten, wirft sie sich mit einem Schrei auf ihn. Lärmend wälzen sie sich auf dem Bett und Evette bohrt Paul ihre kleinen Finger in die Seite. Paul wehrt sich eine Zeit lang lachend, bis er schließlich ruft: »Aufhören! Stopp! Ich gebe auf, ich sag ja alles! Hör auf!«
    Evette schnellt aus dem Bett und lässt sich auf den Sitzsack neben Pauls Bett fallen. Ihre Füße hält sie auf Pauls Matratze und wippt gegen die Zehen ihres Bruders.

    »Weiß es Mama?«, fragt sie. Ihr Ton ist plötzlich ernst geworden. Paul blickt ebenso ernst zurück. »Mama darf es nicht wissen. Sie würde es nicht erlauben. Du darfst es ihr nicht sagen. Bitte!«
    Evette sagt nichts. Seit sie heute erfahren hat, dass ihr Bruder dem Computerclub beitreten würde, hat sie gemischte Gefühle. Ja, sie freut sich für ihn. Immer wieder hat er ihr gesagt, wie sehr er sich wünschte, »normal« zu sein. Herumzulaufen, zu spielen und all die kleinen Elektronikspielereien zu besitzen wie die anderen Teenager auch. Aber Evette weiß auch, dass ihr Bruder eben nicht »normal« ist, und sie beginnt sich zu fragen, ob er das je sein würde. Ihre Mutter will ihnen weismachen, dass Paul »besonders« und »anders« ist, aber ihnen beiden ist klar, was es wirklich zu bedeuten hat: dass er krank ist. Sie wissen nicht, was er hat, und ihre Mutter sagt es ihnen nicht, aber sie wissen, dass er sehr krank ist.
    »Du wirst krank werden … Wenn du so viel Zeit am Computer verbringst, wirst du krank werden, echt krank, so wie du es jetzt gerade bist«, sagt Evette und blickt ihren Bruder direkt an.
    2 K&D3G ist eine Abkürzung für »Kerker und Drachen – 3. Generation«.
    »Ich weiß.« Pauls Antwort kommt mit gesenkter Stimme.
    Draußen krächzt laut ein Rabe. Ein Ast kratzt am Wellblechdach, es hört sich an wie das Kreischen von Kreide auf einer Schultafel.
    »Na los, erzähl mir darüber! Wie ist es?«, fragt Evette. Sie versucht begeistert zu wirken, aber sie weiß, dass sie eigentlich sofort alles ihrer Mutter erzählen sollte. Immerhin geht es um Pauls Gesundheit.
    »Es ist total cool«, platzt es jetzt aus Paul heraus. »Scott hat eine Maschine, mit der haben wir mich eingescannt, mitsamt meinem Gesicht. Der Computer macht daraus eine elektronische Version von mir! Ich hab es gestern Abend gesehen. Es sieht aus wie ich in zehn Jahren. Du solltest die Muskeln sehen, die ich habe, und wie schnell ich rennen kann! Den Namen für meine Onlinefigur bekommt ich nächste Woche bei der Aufnahme …« Paul hält inne. »Wirst du es ihr sagen?« Evette antwortet nicht. Sie kann ihrem Bruder nicht in die Augen sehen.
    »Evette, es ist die einzige Möglichkeit für mich … na ja … frei zu sein«, redet er mit sanfter Stimme auf sie ein. »Mein Computer – Ich – ich – kann laufen und springen und schwimmen, ohne müde zu werden. Ich kann rausgehen. Ich hab nie Kopfweh oder schlechte Tage oder so. Endlich bin ich normal! Bitte sag es ihr nicht. Wenn du es ihr sagst, wird sie mich wieder aus der Schule nehmen. Alle meine Freunde sind in der Schule.«
    Als Evette aufblickt, zupft ihr Bruder an einem losen Faden der Bettdecke. Sie weiß, dass es stimmt, was er sagt. Es ist die einzige Chance für ihn, normal zu sein.
    »Ich werde nichts sagen«, murmelt sie. Sie räuspert sich, blickt ihren Bruder an und wiederholt fest: »Ich werde Mama nichts sagen.«
    Paul lächelt, atmet tief durch und schließt seine Augen.
    Evette geht ins Bad und zieht die Schublade auf. Sie durchwühlt die Pillendöschen und Medikamentenverpackungen, bis sie das Döschen mit dem blauen, kindersicheren Verschluss findet. Sie füllt ein Trinkglas mit Wasser und geht zurück in Pauls Zimmer.
    »Da«, sagt sie und reicht ihm das Glas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher