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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss
Autoren: Stephen Baxter
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durch die Gammastrahlung der sich um das Schwarze Loch spannenden Akkretionsscheibe, die sich tief im Innern des Kerns befand. Aber irgendwann würde der Nebel seine Energie abgegeben haben, und die Gravitationswelt würde schutzlos im Raum stehen, nur noch von der Wärmeenergie des Kerns am Leben erhalten, und ganz zum Schluß von dem langsam seine Energie abgebenden Schwarzen Loch selbst.
    Er realisierte, daß die Gravitationswesen ihre rotierenden Welten auch dann noch bevölkern würden, wenn der Nebel schon längst vergangen war. Mit einem Gefühl der Vergänglichkeit wurde ihm bewußt, daß diese Wesen die eigentlichen Bewohner dieses Kosmos waren; die Menschen dagegen, weich, schmutzig und schwach, waren nur ein Intermezzo.

    Sie näherten sich dem ›planeten‹-nächsten Punkt.
    Der Kern verwandelte sich in eine gegliederte Landschaft, und die Passagiere schrien auf oder seufzten, als die Brücke in einer Höhe von wenigen Dutzend Kilometern über einem brodelnden Ozean dahinraste. Wale schwebten über den Meeren, bleich und unerschütterlich wie Geister.
    Rees spürte einen Zug an seinem Fuß. Irritiert ergriff er eine Verstrebung des Teleskops und zog sich zum Monitor zurück; doch der Zug ließ nicht nach und wurde schließlich unangenehm…
    Er begann sich Sorgen zu machen. Die Brücke sollte sich eigentlich im freien Fall befinden. Wurde sie irgendwie daran gehindert? Er sah durch die durchsichtige Hülle und erwartete fast – was? Daß die Brücke in irgendeine klebrige Wolke gestürzt war, in die Gischt des fremdartigen Meeres dort unten?
    Aber da war nichts.
    Er widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Teleskop – und bemerkte, daß Hollerbach jetzt auf dem Kopf stand. Mit ausgestreckten Armen hielt er sich am Bildschirm fest und versuchte energisch, sein Gesicht mit dem Bild auf dem Monitor auf gleiche Höhe zu bringen. Bizarrerweise schienen er und Rees zu den entgegengesetzten Enden des Schiffes hingezogen zu werden. Nead und Jaen waren in ähnlicher Weise um die Basis des Teleskops konfiguriert und versuchten, in diesem seltsamen neuen Feld einen Halt zu finden.
    Schreie ertönten in der Kammer. Die instabile Struktur aus Seilen und Planen begann sich aufzulösen; Kleidungsstücke, Haushaltswaren und Menschen glitten auf die Wandung zu.
    »Was, zum Teufel, geht da vor sich, Hollerbach?«
    Der alte Wissenschaftler ballte rhythmisch die Hände. »Verdammt, das bekommt meiner Arthritis nicht…«
    »Hollerbach…!«
    »Es ist die Flut!« ächzte Hollerbach. »Bei den Boneys, Junge, hast du denn gar nichts in meinen Orbitalvorlesungen gelernt? Wir stehen jetzt so nahe am Kern, daß sein Gravitationsfeld in einem Bereich von mehreren Metern schwankt.«
    »Zum Teufel, Hollerbach, wenn du das alles schon gewußt hast, warum hast du uns dann nicht gewarnt?«
    Hollerbach ließ diesen Vorwurf an sich abprallen. »Weil es klar war, Junge…! Und gleich wird es erst richtig interessant. Sobald der Gravitationsgradient das Luftwiderstandsmoment übersteigt – ah, da haben wir es schon…«
    Das Bild auf dem Monitor verschwamm, als sich die Teleskopverankerung löste. Der mahlende Ozean wirbelte über Rees’ Kopf. Jetzt kollabierte die provisorische Konstruktion völlig und schleuderte die bestürzten Passagiere umher. Blutspritzer erschienen auf Haut, Kleidung und Wänden.
    Das Schiff drehte sich.
    »Mit dem Bug voran!« Hollerbach, der sich noch immer am Teleskop festklammerte, mußte schreien, um sich Gehör zu verschaffen. »Das Schiff wird sich gleich mit dem Bug voran zum Kern stabilisieren…«
    Das Vorderschiff schwang zum Kern herum, raste an ihm vorbei und wurde wieder herumgerissen, als ob die Brücke eine große Magnetnadel wäre, die dicht an einen Eisenbrocken gehalten wurde. Mit jedem Schwung vergrößerte sich die Verwüstung in der Kammer; jetzt sah Rees erschlaffte Körper zwischen den herumwirbelnden Passagieren. Die Szenerie erinnerte ihn auf eine absurde Art an den Tanz, den er im Theater des Lichts gesehen hatte; Brücke und Kern schwebten wie Tänzer in einem Luftballett, und das Schiff tanzte Walzer in den Schwerkraftarmen des Schwarzen Lochs.
    Schließlich stabilisierte sich das Schiff und wies mit seiner Längsachse auf den Kern. Die Passagiere und ihre Habseligkeiten waren in die Enden der zylindrischen Kammer gepreßt worden, wo die Gravitationswirkung am stärksten war. Rees und die anderen Wissenschaftler, die sich noch immer an die Teleskopbefestigung klammerten, befanden sich
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