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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss
Autoren: Stephen Baxter
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Hülle eindrang, teilte sich die eintönige Wolke vor ihnen, und die Trümmer begannen eine perspektivische Struktur anzunehmen. Blaßrosa Licht drang zu ihnen empor. Bald zogen sich Schleier zermahlener Sternenmaterie bogenförmig über das Schiff und schlossen die Brücke wie einen zerbrechlichen Behälter ein.
    Dann verzogen sich die Wolken plötzlich – und sie hingen direkt über dem Kern.
    »Mein Gott.« Jaen holte tief Luft. »Wie… wie ein Planet…«
    Der Kern war eine kompakte, um sein Schwarzes Loch zentrierte Masse, eine fast hundert Kilometer durchmessende, abgeplattete Kugel. Und tatsächlich war er eine Welt, die in rotes und rosa Licht getaucht war. Seine Oberflächenschichten – auf denen nach Rees’ Einschätzung eine Schwerkraft von mehreren hundert Gravos lastete – waren klar definiert und wiesen fast topographische Merkmale auf. Es gab Ozeane aus einer zähflüssigen Materie, dick und rot wie Blut, die gegen Festland schwappten, das sich über die mathematisch definierte Oberfläche der Kugel erhob. Es existierten sogar kleine Bergketten, wie Falten in der Schale einer zusammengeschrumpelten Frucht, und rauchartige Wolken, die sich schnell über die Ozeane bewegten. Es gab auch tektonische Bewegungen: die Meere warfen kilometerlange Wellen, ständig schienen sich neue Gebirge aufzufalten, und sogar die Küstenlinien der fremdartigen Kontinente veränderten permanent ihre Konturen. Es war, als ob irgendeine große Wärmequelle die Kruste des Kerns zu konstanter Falten- und Blasenbildung anregte.
    Wie in der Hölle, dachte Rees.
    Hollerbach befand sich in Ekstase. Er linste so angestrengt in den Monitor, als ob er hineinkriechen wollte. »Gravitationschemie!« krächzte er. »Hier habe ich die Bestätigung. Die Struktur dieser phantastischen Oberfläche kann nur durch den Einfluß von Gravitationschemie aufrechterhalten werden; nur Schwerkraftfesseln können den Kern vor dem Sturz ins Schwarze Loch bewahren.«
    »Aber es verändert sich alles so schnell«, sagte Rees. »Metamorphosen auf einer Fläche von wenigen Quadratkilometern, und das in Sekunden.«
    Hollerbach nickte hektisch. »Eine solche Geschwindigkeit ist charakteristisch für die dort herrschenden Schwerkraftbedingungen. Wenn du bedenkst, daß wechselnde Gravitationsfelder bei Lichtgeschwindigkeit gedehnt werden, und…«
    Jaen schrie auf und zeigte auf den Bildschirm.
    Im Zentrum eines der amorphen Kontinente, in die Oberfläche geätzt wie ein kilometerlanges Schachbrett, befand sich ein rechteckiges Gitter aus weiß-rosa Licht.
    Spekulationen wallten in Rees auf. »Leben«, flüsterte er.
    »Und dazu intelligentes«, ergänzte Hollerbach. »Zwei phantastische Entdeckungen auf einen Blick…«
    »Aber wie ist das möglich?« fragte Jaen.
    »Die Frage müßte eher lauten, warum es nicht möglich sein sollte«, erwiderte Hollerbach. »Die Grundvoraussetzung für Leben ist die Existenz steiler Energiegradienten… Die Gravitation ist eines der sich schnell entwickelnden Muster; die Universalprinzipien der Selbstorganisation wie zum Beispiel die Feigenbaum-Reihe, die für das Entstehen von Strukturen aus dem Chaos verantwortlich sind, fordern beinahe das Entstehen von Organisationsformen.«
    Jetzt erkannten sie noch mehr Gitter. Einige überzogen ganze Kontinente und schienen das ›Land‹ vor den großen Wellen abzuschirmen. Lichtbahnen, die an Straßennetze erinnerten, umspannten die Kugel. Und – bei maximaler Vergrößerung – konnte Rees sogar einzelne Strukturen orten: Pyramiden, Tetraeder und Würfel.
    »Und warum sollte sich kein intelligentes Leben entwickeln?« spann Hollerbach den Faden verträumt weiter. »Auf einer Welt mit solch radikalen Veränderungen wäre eine Selektion auf der Basis der Organisationsprinzipien eine höchst plausible Annahme. Bedenkt nur, wie die Gravitationswesen sich bemühen, ihre geordneten Umwelten vor dem Chaos zu bewahren!«
    Hollerbach schwieg, aber Rees’ Gedanken jagten weiter. Vielleicht waren diese Wesen in der Lage, selbst Schiffe zu bauen, mit denen sie über Einstein-Rosen-Brücken andere, auch an einem Schwarzen Loch positionierte ›Planeten‹ erreichen und sich dort mit ihren wie auch immer gearteten Verwandten treffen konnten. Noch wurde diese fremdartige Biosphäre von der aus der nebularen Trümmerwolke einströmenden Materie gespeist – einem kontinuierlichen Strom von Sternenbruchstücken, die sich auf hyperbolischen Flugbahnen auf den Kern zubewegten – und von innen
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