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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss
Autoren: Stephen Baxter
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klang wie eine kleine Explosion, als eine zweite Niete nachgab.
    Mit etlicher Verspätung legte auch Rees an der Maschine Hand an, stemmte die Füße in den Winkel zwischen Boden und Wand und schob zusammen mit Roch, bis die Adern seiner Arme wie Seile hervortraten.
    Eine weitere Niete brach, und die Maschine neigte sich merklich. Roch korrigierte seine Position und schob weiter. Das Gesicht des Mineurs war knallrot, und seine blutunterlaufenen Augen schauten auf Rees. Leise platzende Geräusche drangen aus dem großen Körper, und Rees stellte sich vor, wie entlang Rochs Wirbelsäule Bandscheiben und Wirbel splitterten und sich ineinander schoben.
    Schließlich gaben die restlichen Nieten in einer Reihe kleiner Explosionen nach, und die Maschine taumelte durch die Schleusenöffnung. Rees fiel zwischen den Nietenköpfen auf den Bauch, und seine Lungen sogen Sauerstoff aus der verbrauchten Luft. Er hob den Kopf. »Roch…?«
    Der Bergmann war verschwunden.
    Rees erhob sich mühselig vom Deck und ergriff den Rahmen des Schotts. Das Schwerkrafttier bedeckte den Himmel und bot dabei ein großes, häßliches bewegtes Panorama – und vor ihm hing der zerklüftete Kasten der Versorgungsmaschine. Roch lag breitbeinig auf der Maschine, mit dem Rücken auf der demolierten Metallfläche. Über eine Distanz von ein paar Metern starrte der Bergmann in Rees’ Augen.
    Nun holte das Tier mit einer kabelähnlichen Extremität aus und ließ sie gegen die Versorgungsmaschine klatschen. Das ramponierte Gerät wirbelte auf die zuckende schwarze Masse zu. Dann verschlang der Räuber den Happen und versank, offensichtlich gesättigt, im dunklen Ozean.
    Mit letzter Kraft legte Rees eine Hand auf die Schaltfläche der Schleusenverriegelung und ließ das Schott zuknallen.

16

    WÄHREND DER FLUG DURCH DAS ALL weiterging, zog es Rees immer wieder zu dem kleinen Fensterausschnitt in der Wandung der Brücke.
    Er drückte das Gesicht gegen die warme Hülle. Er befand sich hier im Mittelabschnitt der Brücke: zu seiner Linken der Nebel, die Heimat, die sie aufgegeben hatten, als rote Barriere, die den Himmel in zwei Hälften teilte; zur Rechten ihr Zielnebel als bläulicher Fleck, den er noch immer mit einer Hand ausblenden konnte.
    Nachdem das Schiff vom Kern weggeschleudert worden war, hatte sich das Navigationsteam stundenlang mit seinen diversen Sextanten, Diagrammen und geschliffenen Knochenstücken beschäftigt, um dann schließlich zu melden, daß sich das Schiff auf Kurs befand. Diese Nachricht hatte die Stimmung unter den Passagieren deutlich gehoben. Trotz der Toten, Verletzten und des Verlustes der Versorgungsmaschine schien ihre Mission ein Erfolg zu werden, nachdem die größte Bewährungsprobe jetzt hinter ihnen lag. Rees hatte sich von dieser Euphorie anstecken lassen.
    Doch dann hatte die Brücke das vertraute warme Licht des Nebels hinter sich gelassen.
    Die Transparenz der Schiffswand war zum größten Teil aufgehoben worden, um die deprimierende Schwärze des internebularen Leerraums auszublenden. In Kunstlicht getaucht, war die wiedererrichtete Zeltstadt erneut ein Hort heimatlicher Wärme und altbekannter Gerüche geworden, und die meisten Passagiere waren froh darüber gewesen, zur Ruhe kommen zu können und das Nichts hinter der Wandung des alten Schiffs vergessen zu können.
    Dennoch wurden die Menschen zunehmend stiller – nachdenklicher, ja sogar depressiv.
    Und dann begann sich noch der Verlust der einen ihrer zwei Versorgungsmaschinen auszuwirken; die Nahrungsmittel mußten rationiert werden; die Leute litten Hunger.
    Das Weltall draußen war von einem satten Dunkelblau, das nur durch das diffuse Glühen weit entfernter Nebel unterbrochen wurde. Die Wissenschaftler hatten über ihren antiken Instrumenten gebrütet und Rees versichert, daß der interstellare Leerraum alles andere als atmosphärelos war; nur war die Dichte der Gase viel zu niedrig, als daß Menschen darin hätten existieren können. »Es ist«, hatte Jaen ihm voller Elan erklärt, »als ob die Nebel Flecken mit einer hohen Dichte innerhalb einer weit größeren Wolke seien, die ihrerseits vielleicht eine eigene Struktur und einen eigenen Kern hat. Vielleicht fallen all die Nebel wie Sterne in diesen großen Kern.«
    »Warum hier schon aufhören?« hatte Rees grinsend erwidert. »Diese Struktur könnte rekursiv sein. Vielleicht ist dieser große Nebel selbst auch nur ein Satellit eines anderen, riesigen Kerns, der seinerseits um einen anderen kreist,
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