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Die Gebrüder Hollee auf Erden (German Edition)

Die Gebrüder Hollee auf Erden (German Edition)

Titel: Die Gebrüder Hollee auf Erden (German Edition)
Autoren: France Carol , Sissi Kaipurgay
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Die Gebrüder Holle auf Erden
     
    „Geraaaard“, höre ich meine geliebte Stiefmutter rufen.
    Wenn sie den Vokal so dehnt ist klar, dass ich irgend etwas für sie erledigen soll. Eigentlich ruft sie mich immer so. Ich bin gerade erst von der Arbeit gekommen, und habe noch nicht einmal die grüne Latzhose ausgezogen, laufe aber gehorsam ins Wohnzimmer, wo Agentha auf dem Sofa grazil hingestreckt liegt. Sie hat ihre Haare elegant aufgesteckt und guckt streng, wie immer, wenn sie mich sieht.
    „Ja, Mama, was kann ich für dich tun?“, frage ich artig.
    Klar, meine Stiefmutter ist eine Frau, die etwas…schwierig ist. Dennoch, lieber eine schwierige Mutter als gar keine. Mein Vater hat sie geheiratet, als ich zehn Jahre alt war und ich hab sie vom ersten Moment an in mein Herz geschlossen, weil ich schon immer eine Mutter haben wollte. Meine eigene ist nämlich kurz nach meiner Geburt abgehauen.
    „Der Rasen muss gemäht werden“, sagt Agentha, wobei sie ihre Fingernägel betrachtet, „Der Mülleimer ist voll und ich habe Hunger.“
    „Wo ist denn Luzius? Kann der nicht den Rasen…?“, beginne ich schwach, doch eine ungeduldige Handbewegung meiner Stiefmutter lässt mich verstummen.
    Es hat eh keinen Sinn. Ich mach die Arbeit, und mein Stiefbruder faulenzt, das war schon immer so. Nein, er faulenzt nicht, er macht eben…andere Dinge.
    „Gut, ich geh gleich in die Küche“, sage ich ergeben.
     
    Jeden Tag hat meine Stiefmutter irgendwas an mir auszusetzen oder erteilt mir Aufträge. Ich überlege oft, ob ich mir nicht endlich eine eigene Wohnung suchen soll, aber ich liebe sie eben und weiß, dass sie ohne mich und meinen Bruder – Stiefbruder – nicht überleben könnte. Agentha hat immer einen Mann gebraucht, der sie bedient. Erst den Vater von Luzius, der unter ungeklärten Umständen verstarb. (Man fand ihn tot in seinem Bett.) Dann mein Erzeuger, der vor ungefähr zehn Jahren bei einem Verkehrsunfall (die Bremsen versagten aus unbekanntem Grund) zu Tode kam. Nun sind Luzius und ich diejenigen, die sich um sie kümmern.
    Nein, ich bin es, der den größten Teil der Arbeit macht. Luzius ist mehr den schönen Dingen zugewandt, wie Sport, ausgehen und so. Ich bin eher zurückhaltend und gehe nicht gern unter Leute. Obwohl wir so verschieden sind, liebe ich meinen Stief bruder. Wir sind fast gleich alt, liegen nur zwei Jahre auseinander. Von Anfang an habe ich zu meinem älteren Bruder aufgeschaut, der inzwischen kleiner ist als ich. Überhaupt ist er äußerlich ganz anders als ich: klein, mit dunklen, langen Haaren und sehr schmal. Ich möchte behaupten, dass wir uns gut verstehen, allerdings reden wir nicht viel miteinander.
     
    Eine Sache, die ich in jedem Fall mit meinem Bruder teile, ist unsere Vorliebe für Männer. Ich habe jedoch noch nie…ich bin noch…also, ich sag‘s mal so: ich bin unerfahren. Wenn es mal drückt, nehme ich meine Faust und denke an… Nein, das verrate ich jetzt nicht. Doch, ich sag nur so viel: ich mag schmale Kerle mit einem kleinen Knackarsch. Hab da ein paar Wichsvorlagen, bevorzugt mit braunhaarigen Typen.
     
    Am Wochenende geht Luzius immer weg. Das fängt am Freitag an und zieht sich manchmal bis in den Sonntagmorgen. Wo er hingeht, hat er mir mal verraten. Ich würde mich dort niemals allein hin trauen, obwohl es mich schon reizen würde. Immer, wenn ich meinen Bruder frage, ob er mich mitnehmen würde, lacht Luzius spöttisch und schüttelt den Kopf.
    „Ich will mir doch meine Chancen nicht verderben“, sagt er dann.
    Manchmal überlege ich, ob er mich weniger mag als ich ihn. Doch solche Gedanken verdränge ich stets wieder, sie führen zu nichts. Ich bin da praktisch veranlagt: sinnlose Überlegerei lass ich sein, ist nur Kraftverschwendung.
    Irgendwann werde ich den richtigen Mann treffen, da bin ich mir sicher. Ich fühle es und weiß, wenn der Richtige vor mir steht werde ich es sofort merken. Woher? Nun, mein Herz wird sprechen.
    Zuvor spricht allerdings meine Stiefmutter. Es ist Sonntagabend, und Luzius schläft seinen Rausch aus. Ich wollte m ich gerade mit einem guten Buch (nein, nicht das Alte Testament, ein Steven King) zurückziehen, als sie mich ins Wohnzimmer ordert, das ich heimlich ‚den Thronsaal‘ nenne.
    „Dein armer Bruder hat sein vergoldetes Feuerzeug verloren“, erklärt sie mit fester Stimme, „Es ist von unschätzbarem Wert. Geh und hol es.“
    „Ja“, sage ich und will mich gerade umdrehen um den Befehl auszuführen, als mir
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