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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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meinen Sie damit, Mister Morrison?«, fragte Coppelstone. Unter normalen Umständen hätte er Morrisons Worte als das Gefasel eines verzweifelten alten Mannes abgetan, aber hier, in dieser düsteren, von kriechenden Schatten erfüllten Gruft, bekamen sie etwas von einer unheilvollen Prophezeiung; ein Gewicht, das ihnen vielleicht nicht zustand, das sie aber nichtsdestotrotz hatten.
    »Wir dürfn die, die im Land lebn, nich störn«, antwortete Morrison. »Swird böse enden, wenn wir den Wyrm vor der Zeit störn. Viele wern sterbn.«
    »Wollen Sie mir drohen, Mister Morrison?«, fragte Coppelstone.
    »Die Zeit is noch nich gekomm«, beharrte Morrison stur.
    Coppelstone atmete hörbar ein. »Und wann … ist die Zeit gekommen?«, fragte er gepresst.
    »Wennde Monde günstich stehn«, antwortete Morrison. »Wenna große Krieg zu Ende is.«
    Coppelstone blinzelte. »Sagten Sie: Monde ?«, vergewisserte er sich. »Und von welchem großen Krieg sprechen Sie?« Ganz allmählich begann er zu begreifen, was hier wirklich los war: Morrison war nicht sonderbar , wie Waiden berichtet hatte. Er war komplett verrückt.
    »Dem hinter dem Meer«, antwortete Morrison. »Dem großen Krieg, der die Welt in Brand setzen wird.«
    »Sie meinen … Europa?«, vermutete Coppelstone. »Sie sprechen von dem großen Krieg in Europa, nicht wahr?«
    Morrison nickte, und Coppelstone fuhr beinahe sanft fort: »Mister Morrison, der Krieg, von dem Sie reden, ist bereits zu Ende. Schon seit sehr, sehr vielen Jahren.«
    »Den meinich nich«, erwiderte Morrison. »Den annern, der komm wird.«
    »Der … kommen wird? «, wiederholte Coppelstone verwirrt. »Aber es wird keinen Krieg geben. Europa ist friedlich wie schon seit Langem nicht mehr.«
    »Swird ein großn Kriech gem«, beharrte Morrison. »De ganze Welt wird brenn. Auch unsa Land. Viel Blut. Viele wern sterbn. Millionen. Dann isse Zeit gekomm, und die, die im Land lebn, wern gehn. Solange muss ich hierbleibn.«
    Coppelstone seufzte. »Ich fürchte, das wird nicht möglich sein, Mister Morrison«, sagte er.
    Morrison stand auf. »Ich sach Francis, dasa Sie inne Stadt bringt«, sagte er. »Isne Stunde, mittm Wagen. Aber zu gefährlich zu Fuß.«
    »Mister Morrison, bitte!«, sagte Coppelstone. »So seien Sie doch vernünftig! Sie schaden sich nur selbst!«
    Aber Morrison hörte ihm gar nicht mehr zu. Er hatte sich bereits umgewandt und schlurfte zur Tür. Ohne ein weiteres Wort öffnete er sie und verschwand im hellen Sonnenschein draußen auf dem Hof.
    Coppelstone sah ihm kopfschüttelnd hinterher, aber er ersparte es sich, ihm noch einmal nachzurufen. Er war nicht einmal überrascht, dass sich die Dinge so entwickelt hatten, aber er bedauerte es. Dass er die Notwendigkeit seines Tuns einsah, bedeutete noch lange nicht, dass es ihm Freude bereitete, diesen verrückten alten Mann von seinem Land zu vertreiben.
    Er stand ebenfalls auf. Sein Stuhl verursachte dabei ein scharrendes Geräusch auf den Holzdielen, und irgendwo aus dem Raum hinter ihm antwortete ein anderer, raschelnder Laut darauf. Coppelstone fuhr erschrocken herum und gewahrte gerade noch, wie etwas sehr Großes, Bleiches mit schlängelnden Bewegungen in den Schatten zwischen den Möbelstücken verschwand.
    Sein Herz machte einen erschrockenen Sprung. Er hatte nicht genau gesehen, was da hinter ihm kroch, doch allein das feuchtschabende Geräusch jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Wäre das … Ding nicht so absurd groß gewesen, hätte er gewettet, einen riesigen, fahlen Wurm zu sehen. Aber das Geschöpf musste mindestens anderthalb Yards messen und so dick wie sein Arm sein. Also eine Schlange. So verrückt, wie Morrison war, war es ihm durchaus zuzutrauen, dass er Schlangen im Haus duldete.
    Coppelstone schauderte. Allein die Vorstellung, dass diese Kreatur die ganze Zeit über da gewesen war und ihn angestarrt hatte, während er mit Morrison sprach, jagte ihm noch im Nachhinein einen eisigen Schauer über den Rücken.
    Er hatte es plötzlich sehr eilig, das Haus zu verlassen.

03
    Eine gute Stunde später erreichte er Magotty und stieg vom Kutschbock des zweispännigen Wagens, mit dem ihn Francis in die Stadt gefahren hatte. Mit Ausnahme seines Namens und der Vermutung, dass Francis in irgendeinem ganz bestimmt nicht von der Kirche abgesegneten Verwandtschaftsverhältnis zu Morrison stehen mochte, wusste er nichts über ihn. Francis – der nicht ganz so schlimm verkrüppelt war wie Morrison, aber schlimm
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