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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Coppelstone nach einer Weile eine entsprechende Bewegung mit den Papieren unter seinem linken Arm machte und fortfuhr:
    »Ich habe alle notwendigen Unterlagen dabei, um Ihnen die Situation noch einmal in allen Einzelheiten darlegen zu können, Mister Morrison. Ich bin sicher, wir …«
    »Schiemse sich Ihr Untelagn in Asch«, sagte Morrison grob. Seine Hand klatschte auf den Gewehrkolben. »Keena vertreibt mich von meine Fam.«
    »Ja. Mister Waiden hat mir gesagt, dass Sie … ein hartnäckiger Verhandlungspartner sind«, seufzte Coppelstone. Sein Blick streifte nervös das Gewehr. »Warum gehen wir nicht ins Haus und reden in aller Ruhe über alles? Ich bin sicher, wir finden eine Lösung, die für beide Seiten zufriedenstellend ist.«
    »Ich habs dem annern schon gesacht, unich sachs Ihna auch nur eimal: Sis mein Fam, unnich geh hiea nich wech, ehde Zeit gekomm is.«
    Coppelstone schwieg einen Moment. Er war nicht sonderlich überrascht über Morrisons Reaktion. Ganz im Gegenteil wäre er höchstwahrscheinlich eher überrascht gewesen, wenn Morrison so schnell aufgegeben hätte. Er konnte den alten Mann sogar verstehen: Er war vermutlich hier geboren und aufgewachsen, und mit großer Wahrscheinlichkeit gehörte er zu jenem überwiegenden Teil der Landbevölkerung, der seine Heimat zeitlebens niemals verlassen hatte. Die Vorstellung, von hier wegzugehen, musste für ihn durch und durch entsetzlich sein. Aber der Fortschritt verlangte nun manchmal Opfer. Das mochte bitter für die Betroffenen sein, war aber leider notwendig.
    »Bitte, Mister Morrison«, sagte er. »Ich kann jetzt gehen, wenn Sie darauf bestehen, aber dann müsste ich mit dem Sheriff wiederkommen, und das würde die ganze Angelegenheit nicht nur unnötig verkomplizieren, sondern auch für alle Beteiligten sehr viel unangenehmer machen.«
    »Der Sheriff kommt nich her«, antwortete Morrison. »Er wa noch nie hia, unner kommt auch nicht.«
    »In diesem Fall würde er kommen«, versicherte Coppelstone in jenem genau bemessenen Ton, der eine Drohung sein konnte, es aber nicht eindeutig war. Um ihn noch ein wenig zu entschärfen, lächelte er und fügte hinzu: »Lassen Sie uns doch ins Haus gehen und in Ruhe reden, Mister Morrison.«
    Morrison schnaubte. Es hätte Coppelstone in diesem Moment nicht einmal mehr gewundert, hätte er sein Gewehr gehoben und ohne weitere Warnung abgedrückt. Doch stattdessen senkte er die Waffe plötzlich, trat einen ungeschickten, humpelnden Schritt zur Seite und machte eine Kopfbewegung auf die Tür hinter sich.
    »Meinetwegn. Abers hat keen Zweck. Ich geh hia nich wech. Habich dem annern schon gesacht. Er hat gesacht, dasse kommn wern, aberich geh hia nich wech.«
    Das war eine neue Information, die Coppelstone nicht nur aufs Höchste überraschte, sondern Waidens Missgeschick vom Vortag auch in einem ganz anderen Licht erscheinen ließ. Es war niemals vorgesehen gewesen, dass er, Coppelstone, hierherkam. Möglicherweise war Waidens Ungeschicklichkeit eben keine Ungeschicklichkeit gewesen. Er nahm sich vor, ein wirklich eingehendes Gespräch mit seinem Assistenten zu führen, sobald er zurück in Providence war.
    Dann trat er an Morrison vorbei ins Haus, und für einen Moment vergaß er sowohl Waiden als auch Providence und sogar den Grund seines Hierseins.
    Das Erste, was ihm auffiel, war der Geruch; ein erbärmlicher, im wortwörtlichen Sinne atemberaubender Gestank, der eine fast materielle Konsistenz zu haben schien und sich wie ein klebriger Film über sein Gesicht und seine Atemwege legte. Es war ihm nicht möglich, ihn zu beschreiben; er schien gleichzeitig nach Tod und Verwesung wie auch nach etwas auf vollkommen falsche Weise Lebendigem zu riechen, und er führte eine fast unmittelbar einsetzende Assoziation von düsteren Dingen mit sich, die in den Schatten krochen.
    Und Schatten gab es genug. Nachdem Coppelstone einen ersten, vorsichtigen Atemzug genommen und fast zu seiner Überraschung festgestellt hatte, dass er tatsächlich Luft bekam, trat er einen weiteren Schritt in den Raum hinein und sah sich um. Es gab allerdings nicht allzu viel zu sehen. Obwohl der Raum, der das gesamte Erdgeschoss des Gebäudes einzunehmen schien, über vier große Fenster verfügte, war es hier drinnen fast dunkel. Draußen vor den Fenstern herrschte strahlender Sonnenschein, aber hier drinnen schien das Licht … irgendetwas einzubüßen. Er konnte nicht genau sagen, was; es war kein sichtbarer Bestandteil, nichts, was man
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