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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zuckte die gigantische Zunge des Wyrm erneut in seine Richtung, packte ihn und zerrte ihn mit einem einzigen, gewaltigen Ruck in das klaffende Maul der gigantischen Kreatur hinein. Reeves’ Schreie verstummten mit einem letzten, mahlenden Laut; einem Geräusch, das Coppelstone niemals im Leben wieder vergessen sollte.
    Und es war immer noch nicht vorbei.
    Für eine geraume Zeit lag der Wyrm einfach reglos da, ein riesiger, fahlbleicher Berg aus Fleisch und eiternden Geschwüren, hoch wie ein Haus und so lang wie ein Güterzug mit einem Dutzend Waggons. Während dessen spürte Coppelstone, wie das Leben allmählich wieder in seinen Körper zurückkehrte. Er konnte sich bewegen; nicht besonders gut und nur unter Schmerzen, doch er konnte es. Aber er wagte es nicht.
    Der riesige Schädel des Wyrm füllte den Weg zwanzig Fuß vor ihm zur Gänze aus. Coppelstone konnte weder Augen noch andere Sinnesorgane erkennen, doch er spürte einfach, dass ihn das Monster anstarrte; auf eine Weise, die er zu fühlen glaubte wie die Berührung einer unangenehmen, fieberheißen Hand. Es war noch nicht vorbei. Der Wyrm würde ihn töten, wie er Reeves getötet hatte, und so wie er, Coppelstone, seine Kinder getötet hatte. So absurd es Coppelstone selbst auch in diesem Moment vorkam – er konnte das verstehen. Er hatte eine Macht herausgefordert, die gewaltiger war als er, gewaltiger als irgendein Mensch, ja vielleicht gewaltiger als die Menschheit selbst; auf jeden Fall aber älter.
    Langsam öffnete sich das titanische Maul des Ungeheuers. Der riesige Saugrüssel kroch auf ihn zu, nicht schnell und peitschend, wie er Reeves ergriffen hatte, sondern langsam, mit tastenden, fast unsicher wirkenden Bewegungen. Der Rüssel erreichte sein Bein, tastete sich daran hinauf und glitt über seine Hüfte, seinen Leib und schließlich über sein Gesicht. Coppelstone keuchte vor Schmerz. Die Berührung des Rüssels war wie Säure, die seine Haut zu verätzen schien. Er schloss die Augen, denn aus irgendeinem völlig absurden Grund wollte er nicht blind sterben; auch wenn das vermutlich nur einen Unterschied von ein oder zwei Sekunden machte.
    Doch er starb nicht.
    Der Saugrüssel des Wyrm tastete über sein Gesicht, seinen Hals und seine Schultern und zog sich dann ebenso langsam wieder zurück, wie er den Weg zu ihm gefunden hatte. Der finale, alles auslöschende Schmerz, auf den er wartete, kam nicht.
    Mit klopfendem Herzen öffnete Coppelstone die Augen und starrte direkt in das fahle Antlitz des Wyrm. Und für einen Moment, einen unendlich kurzen, zeitlosen Moment, war es ihm, als hörte er eine Stimme. Nein, keine Stimme: eine Botschaft. Etwas, das durchdringender war als eine Stimme, gewaltiger als Gedankenübertragung oder irgendeine andere Form der Kommunikation, die er sich je hätte vorstellen können. Es war pures Wissen, aus dem sein verzweifelt nach einem dem menschlichen Denken entsprechenden Vergleich suchender Verstand nur so etwas wie Worte machte:
    Kreuze nie wieder meinen Weg, Mensch.
    Das war alles. Mit einer unglaublich imposanten Bewegung schwang sich der Wyrm herum, drückte mit seinem kolossalen Körper Unterholz, Büsche und kleine Bäume platt und verschwand mit schlängelnden, eine schwarze Teerspur zurücklassenden Bewegungen im Wald. Und nach einer Weile, von einer Kraft und einem Willen beseelt, von denen Coppelstone längst nicht mehr wusste, woher er sie nahm, stemmte auch er sich in die Höhe und folgte ihm.
    Es war nicht sehr schwer, der Spur des Wyrm zu folgen. Selbst wenn es die Spur aus schwarzem Teer und den breiten Pfad niedergerissener Vegetation nicht gegeben hätte, hätte Coppelstone gewusst, wo er den Wyrm finden würde. Das Geschöpf kehrte zurück an jenen Ort, an dem es so lange geschlafen und auf sein Erwachen gewartet hatte: Morrisons Farm.
    Coppelstone sah den Wyrm wieder, als er aus dem Wald heraustaumelte und dicht neben der klebrig-schwarzen Schleimspur auf die Knie fiel, erschöpft, gepeinigt von Schmerzen und Übelkeit und kaum mehr Herr seiner Sinne. Der Wyrm kroch in diesem Moment über den Rand des gewaltigen, ausgeglühten Kraters, der da klaffte, wo vor Stundenfrist noch die Farmgebäude und das Silo gestanden hatten. Und erst jetzt, aus der Entfernung und der Höhe betrachtet, begriff Coppelstone wirklich, wie gigantisch die Kreatur war, denn sie füllte den riesigen Krater fast vollkommen aus, während sie sich wie eine ins Absurde vergrößerte Natter darin zusammenringelte.
    In
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