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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse
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Prolog
    Schäumende Wellen durchrauschen die Keltische See. Als hätten sie es eilig und könnten es kaum erwarten, das Küstengebiet von England zu erreichen, um sich donnernd gegen die Klippen vor Land’s End zu werfen. Der letzten Barriere, die sie bewältigen müssen, bevor sie mit rauer Zärtlichkeit das Gestade einer uralten, geheimnisumwitterten Feldmark liebkosen dürfen.
    Cornwall.
    Der strahlende Stern unter den englischen Grafschaften. Dreitausendfünfhundert Quadratkilometer unterschiedlichster Panoramen – Buchten, Wälder, Seen, Grasland –, alles umspielt vom milden Hauch des Nordatlantikstroms und so reich an Zeugnissen vergangener Tage. Da gibt es verwinkelte Hafenstädtchen mit vom Alter gebeugten Häusern, deren Erbauer noch die
Victory
hatten auslaufen sehen, Admiral Lord Nelsons berühmtes Flaggschiff. Ruinen und Relikte aus der Zeit von König Artus. Dozmary Pool, jenen unheimlichen See im Bodmin Moor. Das Wegenetz der Schmuggler und Strandpiraten … und dazu: moderne Städte, Golfplätze, blütenumwogte Straßen. Eine Sinfonie aus Bildern voller Schönheit – Balsam für Augen und Seele.
    Cornwall eben.
    Aufgeklärte, fortschrittliche Menschen bewohnen diese Grafschaft, nett und ganz normal. Allerdings zeigen sie, und das wiederum ist ungewöhnlich, eine erstaunliche Gelassenheit im Umgang mit Cornwalls verspukter, geheimnisvoller Zweitbevölkerung. Man merkt es nicht gleich, wenn Jung und Alt im Straßencafé sitzen oder auf einer Bank am Pier – iPhone in der Tasche, das Notebook vor sich – und irgendwelche Geschäfte tätigen. Doch bei einer gemütlichen Plauderei wird schnell offenbar, wie sehr das hiesige Alltagsleben in Zeiten und Welten hineinragt, deren mystische Bewohner andernorts gern als Fantasieprodukte verkannt werden. Pixies zum Beispiel oder Spriggans. In Cornwall spricht man über die kleinen Biester mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie über den Fischfang und das Wetter.
    Natürlich
weiß
nicht jeder, dass solche Wesen tatsächlich existieren. Es ist der Glaube – dieser unerschütterliche Menschenglaube an Elfen und Geister und den Hof von Camelot, der die verborgenen Portale zur Anderswelt immer einen Spaltbreit offen hält auf diesem besonderen Fleckchen Erde.
    Und dann breitet sie sich plötzlich aus, jene seltsame Atmosphäre am helllichten Tag, die sich nicht magisch anfühlt, sondern magisch
ist
. Sie lässt einen schlicht vergessen, dass man Spriggans ja eigentlich noch nie gesehen hat. Dass es keine Drachen und Ritter mehr gibt. Käme Sir Lancelot in einem solchen Moment die Strandpromenade entlang, man würde nur kurz zu ihm aufsehen, ihn grüßen und sich gleich wieder seiner DigiCam zuwenden, um noch ein paar Fotos zu schießen vom Sonnenuntergang und der grandiosen Küstenlandschaft.
    Es heißt, in Cornwall sei alles möglich. Irgendwie stimmt das auch.
Zwischenspiel
    He, Richie! Wirf mal die Leine rüber!«, rief John Broom und streckte die Hände aus. Als das Haltetau heranflog, fing er es geschickt aus der Luft. John nickte seinem Bruder einen flüchtigen Dank zu, ehe er es mit geübten Griffen am Heck befestigte.
    Der Fischer hatte nicht viel Zeit zum Schwatzen. Auf den Kuttern begannen die täglichen Vorbereitungen für die Fangfahrt, längst zur Routine geworden und doch immer wieder eine Herausforderung. Seite an Seite lagen die Boote am Kai und dümpelten an ihren Leinen. Eben noch still verträumt, nun mit geschäftigem Leben beseelt.
    Auch John machte sein Boot klar zum Auslaufen. Die
Pelleg
war ein betagtes Mädchen, gezeichnet von ihren vielen Fahrten hinaus aufs Meer. Doch der Fischer liebte sie mit rauer Zärtlichkeit, wie alle Fischer ihre Boote liebten. Trotz ihres splitternden Anstrichs und der Seepocken am Kiel.
    Der Heimathafen der
Pelleg
war Sennen, ein verschlafenes Örtchen eine Meile westlich von Land’s End. Dort lebte John Broom mit seiner Familie, und dort hatte auch die RNLI, die Royal National Lifeboat Institution, einen Stützpunkt. Ihr mächtiges Rettungsboot, das rund um die Uhr einsatzbereit vor Anker lag, war ein beruhigender Anblick für die Einwohner des Ortes. Er vermittelte ihnen das tröstliche Gefühl, nicht allein zu sein, wenn Stürme heulten und der unberechenbare Atlantik tosend und schäumend nach neuen Opfern gierte. Besonders die Frauen der Fischer wussten dieses Rettungsboot sehr zu schätzen, konnten sie doch jedes Mal nur warten und beten, während ihre Männer draußen ums Überleben kämpften –
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