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Wunder

Wunder

Titel: Wunder
Autoren: R.J. Palacio
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mir erzählt?«
    »Wie witzig du bist, und wie freundlich und klug. Als ich ihm gesagt habe, dass du schon mit sechs Drachenreiter gelesen hast, hat er nur gesagt: Wow, den Jungen muss ich kennenlernen.«
    »Hast du ihm sonst noch was erzählt?«, fragte ich.
    Mom lächelte mich an. Ihr Lächeln kam mir irgendwie wie eine Umarmung vor.
    »Ich hab ihm von all deinen Operationen erzählt und davon, wie tapfer du bist«, sagte sie.
    »Also weiß er, wie ich aussehe?«, fragte ich.
    »Tja, wir hatten Fotos vom letzten Sommer in Montauk dabei«, sagte Dad. »Wir haben ihm Fotos von der ganzen Familie gezeigt. Auch den tollen Schnappschuss, wo du die Flunder im Boot hochhältst.«
    »Du warst auch dabei?« Ich muss zugeben, ich war ein wenig enttäuscht, dass er bei alldem mitgemacht hatte.
    »Wir haben beide mit ihm gesprochen, ja«, sagte Dad. »Er ist ein wirklich netter Mann.«
    »Du würdest ihn mögen«, fügte Mom hinzu.
    Plötzlich fühlte es sich an, als stünden sie auf derselben Seite.
    »Wartet mal, wann habt ihr euch denn mit ihm getroffen?«, fragte ich.
    »Er hat uns letztes Jahr durch die Schule geführt«, sagte Mom.
    »Letztes Jahr ?«, wiederholte ich. »Ihr denkt seit einem Jahr darüber nach und habt mir nichts davon gesagt?«
    »Wir wussten gar nicht, ob du überhaupt zugelassen würdest, Auggie«, antwortete Mom. »Es ist nicht leicht, auf diese Schule zu kommen. Man muss einen kompletten Aufnahmeprozess durchlaufen. Ich sah keinen Sinn darin, dass ich dir davon erzähle und du dich womöglich ganz umsonst verrückt machst.«
    »Aber du hast recht, Auggie. Wir hätten es dir sagen sollen, als wir letzten Monat erfuhren, dass du zugelassen wurdest«, sagte Dad.
    »Im Nachhinein betrachtet«, seufzte Mom, »stimmt das, nehme ich an.«
    »Hatte die Frau, die damals zu uns nach Hause kam, irgendwas damit zu tun?«, fragte ich. »Die, die mit mir diesen Test gemacht hat?«
    »Ja, schon«, sagte Mom und sah schuldbewusst aus. »Ja.«
    »Ihr habt mir gesagt, es wäre ein IQ-Test«, sagte ich.
    »Ich weiß. Na ja, das war eine Notlüge«, erwiderte sie. »Es war ein Test, den du für die Schule machen musstest. Ganz nebenbei – du hast sehr gut abgeschnitten.«
    »Also habt ihr mich angelogen«, sagte ich.
    »Eine Notlüge. Aber, ja, stimmt. Tut mir leid«, sagte sie und versuchte zu lächeln, aber als ich nicht zurücklächelte, drehte sie sich um und schaute wieder nach vorn.
    »Was hast du gemeint mit dem Lamm und der Schlachtbank?«, fragte ich.
    Mom seufzte und warf Daddy einen ihrer ganz besonderen Blicke zu.
    »Ich hätte das nicht sagen sollen«, sagte Dad und schaute mich im Rückspiegel an. »Es stimmt auch gar nicht. Es ist folgendermaßen: Mommy und ich haben dich so lieb, dass wir dich auf jede nur mögliche Weise beschützen möchten. Es ist nur so, dass wir das manchmal auf unterschiedliche Weise tun wollen.«
    »Ich will nicht zur Schule gehen«, sagte ich und verschränkte meine Arme.
    »Es wäre gut für dich, Auggie«, sagte Mom.
    »Vielleicht geh ich nächstes Jahr«, erwiderte ich und schaute aus dem Fenster.
    »Dieses Jahr wäre besser, Auggie«, sagte Mom. »Weißt du, warum? Weil du in die fünfte Klasse kommen würdest, und das ist das erste Jahr der Middle School – für alle. Dann bist du nicht der einzige Neue.«
    »Ich bin der einzige Neue, der so aussieht wie ich.«
    »Ich sage ja nicht, dass es keine große Herausforderung für dich sein wird, denn das weißt du ja sowieso«, sagte sie. »Aber es wird dir guttun, Auggie. Du wirst viele neue Freunde finden. Und du wirst Sachen lernen, die du bei mir nie lernen würdest.« Sie drehte sich wieder auf ihrem Sitz um und schaute mich an. »Als wir den Rundgang gemacht haben, weißt du, was sie da in ihrem Biologieraum hatten? Ein kleines Hühnerküken, das gerade aus seinem Ei schlüpfte. Das war so niedlich! Weißt du, das hat mich ein bisschen an dich erinnert, Auggie, als du ein kleines Baby warst … mit deinen großen braunen Augen …«
    Normalerweise liebe ich es, wenn sie von der Zeit sprechen, als ich ein Baby war. Manchmal möchte ich mich zu einem winzig kleinen Ball zusammenrollen, und dann sollen sie mich bloß noch knuddeln und küssen. Ich vermisse es, ein Baby zu sein und noch von nichts eine Ahnung zu haben. Aber für all das war ich jetzt nicht in der Stimmung.
    »Ich will da nicht hin«, sagte ich.
    »Wie wär’s denn mit folgendem Vorschlag? Kannst du dich nicht wenigstens mit Mr. Pomann treffen, bevor du dich
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