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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond
Autoren: Federica de Cesco
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auf den untergeschlagenen Beinen leicht hin und her schaukelte.
    »Ich will dir was sagen, es war anstrengend! Du warst weit weg, hattest andere Dinge im Kopf.«
    »Du hast getan, was nötig war.«
    Sie spielte mit ihrem Schleier. Irgend etwas ging in ihr vor.
    Vielleicht schätzte sie mich ein, wog meine Lernfähigkeiten ab. Was auch immer sie tat, es dauerte nicht lange. Sie warf den Schleier zurück und lachte herzlich.
    »Bei Olivia war es schlimmer, ach was, reden wir nicht mehr darüber. Sie wollte nichts hören, nur ihre Musik. Aber jetzt ist es soweit. Sie kommt.«
    »Ja«, erwiderte ich automatisch. »Sie hat es mir gesagt.«
    Da trat Kenza in das Zelt. Sie trug eine Kalebasse mit Milch, die sie mir behutsam reichte.
    »Trink! Unsere Kamelstute gibt die allerbeste Milch. Weil wir sie täglich trinken, sind wir noch keine alten Frauen, verrunzelt und weißhaarig, gebückt und ohne Zähne!«
    Sie schlenderte lachend hinaus. Ich hörte das dumpfe Pochen des Mörserstößels, der das Hirsemehl mahlte. Die Milch war lauwarm.
    Sie schmeckte fettig, aber wunderbar frisch. Ich trank einige Schlucke und reichte die Kalebasse an Elias weiter. Er lüftete den Schleier, um zu trinken, wobei er das Gesicht leicht abwandte.
    Zwischen einer Mutter und ihrem erwachsenen Sohn bestanden Regeln des guten Benehmens, die auf völlig natürliche Weise eingehalten wurden. Amenena sah zufrieden zu. Sie selbst rührte die Milch aus Höflichkeit nicht an. Hingerissen betrachtete ich den Rundbogen ihrer Wangenknochen, ihre Augen, glänzend wie Obsidian, ihre biegsamen Hände, die sich beim Sprechen hoben und senkten. Allein, daß ich sie gefunden hatte, war phantastisch. Ich sagte: »Ich habe von dir viel zu lernen.«
    »Wir werden gute Freundinnen sein. Vielleicht sogar mehr. Du wirst sehen. Das Wissen ist etwas, das wir weitergeben können.«
    Ich nickte.
    »Ja, ich verstehe. Ich mache Filme.«
    Was ist Filmemachen anderes, dachte ich, als eine visuelle Umsetzung von Gedanken? Die künstlerische Aussage liefert nur den Vorwand dazu. Ich rieb mir die Stirn. Ich fragte mich, ob Amenena jemals ein Kino besucht hatte.
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    »Damals, in Algier, besuchten wir oft Filmtheater«, sagte sie. »Wir sahen Filme mit Michele Morgan, Gerard Philippe, Jean Gabin. Ja, ich erinnere mich gut…«
    Ich starrte sie an. Mir war richtig peinlich, festzustellen, daß sie meine Gedanken las. Doch sie beugte sich vor, klopfte mir belustigt aufs Knie.
    »Das kommt nicht von innen. Menschen tragen ihre Gedanken auf dem Gesicht. Sind sie schlau, können sie andere täuschen. Sie täuschen niemals ein Tier. Und wenn Tiere fühlen, was wir denken, warum nicht auch Menschen?«
    Aufregend war das schon. Mir lagen die Dinge jetzt klarer vor Augen. In der Zwischenzeit war Kenza hereingekommen, trug ein Becken und einen kupfernen Wasserkrug herbei. Wir spülten uns den Mund, wuschen uns die Hände nach Art der Tuareg, langsam und gründlich. Dann brachte Kenza ein großes Holzgefäß mit kugelförmigen Bällchen aus Hirsemehl, Datteln und Ziegenkäse.
    Unter Zugabe von Milch und mit Hilfe eines Löffels verrieb Amenena sorgfältig die Bällchen. Ich probierte: Das Gericht war leicht und köstlich. Kenza hatte sich am Zelteingang niedergelassen.
    Sie stützte ihren Ellbogen auf ihr angewinkeltes Knie. Wenn unsere Blicke sich trafen, nickte sie mir wohlwollend zu. Nach dem Essen räumte sie die Schüsseln ab, und Amenena übernahm die Zubereitung des Tees. Bald dampfte das Wasser auf dem kleinen Kohlenbecken. Amenena mischte den Tee. Die Minze, die sie dazu verwendete, war frisch. Sie gab mir ein kleines Blatt, das ich zwischen den Fingern zerrieb und an die Nase hielt: Es duftete wunderbar.
    »Hier gibt es reichlich Wasser«, sagte Elias. »Und wo Wasser vorhanden ist, wachsen die Pflanzen wie in einem Garten.«
    Amenena, erzählte er, setzte alle möglichen Wurzeln, Blätter und Samen wirksam gegen Krankheiten ein. In den vorgeschriebenen Tagen und Nächten sammelte sie die Heilpflanzen eigenhändig. Sie trocknete sie in der Sonne und zerrieb sie zu Pulver in einem Mörser, der bereits ihrer Mutter und Großmutter gehört hatte. Die Heilkunst der Tuareg war uralt und geheim. Jede heilkundige Frau hatte ihre eigene Art, sie anzuwenden.
    »Die Leute finden den Weg zu meinem Zelt«, sagte Amenena. »Die Erde und die Pflanzen sind gute Heilmittel. Auch Verletzte suchen mich auf. Mit den Händen kann ich ihre Schmerzen wegnehmen, aber nur für kurze Zeit. Ich nehme kein
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