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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond
Autoren: Federica de Cesco
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blickten wir zu den niedrigen Betonbauten jenseits der Straße hinüber. Wir hatten dort haltgemacht wie Vögel, die sich auf ihrem Flug zufällig niederließen. Das ferne Gelände war vergittert. Überall Stacheldraht.
    Vor einer Schranke stauten sich Lastwagen und Busse, die, aus Norden und Süden kommend, ihre Reise hier unterbrechen mußten.
    Die Fahrer bildeten eine Schlange, die sich langsam ins amtliche Zollgebäude vorschob. Der Wind wallte heiß in der Luft, und das Summen der schweren Reifen wurde periodisch von einem nervösen Rattern und Dröhnen überlagert. Arbeiter erneuerten den Straßenbelag. Sie bewegten sich wie Schemen, ihre zerlumpten Kleider waren ebenso weiß gepudert wie die Landschaft. Schwarze Rauchwolken quollen aus einer Teermaschine. Bewaffnetes Militär stand herum, die Brust mit Patronengürteln gepanzert. Über dem Gelände lag kochende Hitze, ein dunstiger, gelbblauer Himmel –
    eine unendliche Trostlosigkeit.
    »Der Grenzposten«, sagte Elias. »Sie haben Feldstecher, aber wir sind im Gegenlicht. Sie sehen uns nicht.«
    Auf meiner Sonnenbrille klebte Staub; ich putzte sie an meinem 343
    Schesch, der über dem T-Shirt hing, wieder blank.
    »Was nun?«
    »Da unten sitzen Kerle, die nach Hühnerhof riechen«, sagte Elias hart. »Ich habe keinen gültigen Paß. Und ich habe auch nicht die richtige Demutshaltung.«
    Ich sagte:
    »Mach keine Dummheiten.«
    »Das könnte ich wirklich.«
    Unsere Blicke trafen sich. Ich dachte, ein falsches Wort nur, und diese kleinen Arschlöcher da unten schmettern ihm den Gewehrkolben zwischen die Zähne. Im heutigen Afrika war Stolz ein Verbrechen. Trotz der Hitze fuhr mir eine ganz neue Angst durch Mark und Bein, feucht und kalt.
    »Elias, sei nicht leichtsinnig.«
    »Keine Angst, ich habe den Dreh schon raus«, sagte er.
    »Da fällt mir ein Stein vom Herzen. Und was nun?«
    Elias’ Hand hob sich, und mit ihr der wie ein weißer Flügel schwebende Ärmel.
    »Die Grenze endet da draußen im Gebirge. Sie ist ebenso imaginär wie der Wendekreis des Krebses. Nichts Greifbares; eine mathematische Spekulation, für die man zehn Jahre brauchte, bis man sie mit einem Lineal über die Landkarte gezogen hat. Ich weiß einen Weg, der führt weit von dort weg. Aber ich kann ihn auch im Dunkeln finden.«
    »Ich merke, daß wir Glück haben«, sagte ich.
    »Wir werden es brauchen. Dieser Weg wird auch von Schmugglern benutzt. Die Armee verfolgt sie mit Hubschraubern.«
    »Scheiße«, seufzte ich, »das allerletzte, was wir hier brauchen, ist Technologie.«
    Der Adrar der Iforas scherte sich nicht um Grenzen, lief ebenso weit nach Norden wie nach Süden aus. Die Berglinien stiegen auf und ab, erstarrte Basaltkuppen, die ihre versteinerte Lava trugen wie Kronen aus schwarzem Schaum. Im Tal zogen sich vertrocknete Wasserläufe, überschnitten sich, dunkelroten Sternkorallen gleich.
    Ich folgte Elias, der gelassen und zielsicher über die Bergpfade ritt, folgte ihm wie in einem Zeitlupenfilm. Er gab mir ein ruhiges, sicheres Gefühl. Wir ritten in dem feinen, scharfen Wind immer weiter hinauf, stumm im Angesicht der Felsen, die auf einer Seite anstiegen und auf der anderen schroff abfielen. Bald glühte das Gestein in Rosenrot, während die Ebene schon im Schatten lag.
    344
    Etwas nahm Gestalt in mir an; ein Ereignis stand mir bevor, das mich in ganz neue Bahnen werfen würde. Mir war zumute wie ein Vogel in der Luft. Ich fühlte mich merkwürdig beschwingt, aller Sorgen ledig. Und wie ein Vogel, der im Wind kreist und hin und wieder mit den Flügeln auf der Luft spielt, so spielte ich mit meinen Empfindungen, als Elias unvermittelt den Kopf hob und ich schlagartig in die Wirklichkeit zurückfand. Noch während ich ihn verblufft anstarrte, hatte er sich schon aus dem Sattel geschwungen und lief auf mich zu.
    »Schnell!«
    Er half mir beim Absteigen, hielt mich fest, damit ich nicht abrutschte, und wies auf eine Rinne zwischen zwei Felsrücken. Dann packte er beide Kamele am Zügel, führte sie in den Schatten. Im selben Augenblick vernahm ich das weit entfernte Knattern. Elias zog mit ein paar scharfen Zischlauten an den Zügeln. Schwerfällig und widerwillig, wie sie es immer taten, ließen sich beide Kamele auf die Knie fallen. Das Geräusch nahm zu. Atemlos lauschend preßten wir uns an die Felswand. Von Osten sich nahend, verstärkte sich das Dröhnen. An seiner Gleichförmigkeit erkannten wir, daß der Hubschrauber einen geraden Kurs verfolgte. Von unserem
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