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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond
Autoren: Federica de Cesco
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erhöhten Punkt aus sahen wir die Rotoren im Sonnenlicht blitzen. Bald wurde der Schall so laut, daß ich befürchtete, die Kamele würden scheuen.
    Doch sie reckten nur die Nase in den Wind und ließen die Ohren spielen. Ihre seltsamen, glasigen Augen blickten starr. Der Lärm steigerte sich; wir standen schweigend, das Gesicht zum Himmel gerichtet. Elias’ Arm umfaßte meine Schulter. Über uns schwebte der Hubschrauber als blitzendes Lichtrad in der Luft, ein grünschwarzes, geschecktes monströses Insekt, das jetzt eine leichte Kurve zog. Sein Schatten glitt über die Bergkuppen. Er wurde kleiner und kleiner, das pfeifende Dröhnen entfernte sich. In der einkehrenden Stille sagte Elias:
    »Das war knapp.«
    Ich atmete flach. Mein Herz schlug an die Rippen.
    »Ohne Frage, wir hatten Glück. Was hältst du davon? Haben die jetzt Feierabend oder drehen sie noch eine Runde?«
    »Wenn die mal wirklich etwas vorhaben, dann haben sie mehr Metall in den Knochen als ein Bronzeaffe im Hintern.«
    »Was sollen wir tun?«
    »Hierbleiben. Und morgen früh reiten, bevor es hell wird.«
    »Ich bleibe gerne hier«, sagte ich. »Zufällig kann ich diese 345
    Maschinen genausowenig leiden wie du.«
    Die Sonne sank, der Himmel wurde gläsern rot. Der Mond tauchte auf, schmaler und blasser als am gestrigen Abend. Das Gebirge hüllte sich in Schatten, schlagartig wurde die Luft eiskalt. Wir nahmen den Kamelen den Sattel ab. Holz war nicht vorhanden; wir mußten auf ein Feuer verzichten. Die Mehara schwitzten, kühlten erst langsam ab. Bald wurde der Himmel lebendig: Das Licht der Sterne fiel in die Schluchten, wie in alte, verlassene Gräber.
    Wir lagen engumschlungen im Schlafsack; es geschah nichts, was unsere Augen hätte zerstreuen können. Über uns strahlte der Himmel mit tausend unbekannten Galaxien; es war, als hörten wir ihren Gesang, ein unbestimmtes Sirren. Es klang wie ein fernes Uiiiiiiii, ganz merkwürdig. Dann und wann antwortete ihm ein heller, vereinzelter Knall; vielleicht platzte ein Stein. Die Wüste atmete.
    Nur noch einige Stunden trennten mich jetzt von Amenena. Und in dieser Nacht erzählte mir Elias die Geschichte von dem Mann mit dem Eulenkopf.
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33. Kapitel
    W ieder verging ein Tag; und wieder wurde es Abend. Wir überquerten die imaginäre Grenzlinie und sahen auf der anderen Seite die gleichen Hügel, die gleichen Steine, die gleichen verdorrten Akazien. Die Sahara war ein Land, das stillzustehen schien in der Hitze – und gleichzeitig ein Land des ständigen Aufbruchs und der ewigen Wandlung. Mein ganzes Leben löste sich darin auf. Auch ich trug ein Land in mir, das im Aufbruch war, wie die Wüste, und ebenso unberechenbar. Bald würde ich mein geheimes Leben betreten; jetzt galt es nur, der Stunde zu harren: der Stunde Amenenas.
    Allmählich wendete die Piste sich südwärts. Hier wehte fast kein Wind mehr, der Sand schickte keine Staubwolken hoch. Aus dem heißen weiten Himmel und der heißen gelben Erde drang etwas Neues, etwas Unverbrauchtes. Dünen zogen in der Ferne ihre Kreise, und an einigen Stellen wuchsen Büsche. Bisweilen sahen wir in der Ferne Nomaden; nach den Jahren der Dürre war das Leder selten geworden, und sie lebten in Mattenzelten. Doch wir hielten uns nicht auf. Gegen Abend verflog der Hitzedunst. Ohne sich bereits zu zeigen, kündigte sich die Dämmerung an; die orangerote Sonne schien ihren Lauf zu unterbrechen, bevor sie alle ihre Formen den dunklen Flügeln des Abends überließ. Ich hätte nicht abschätzen können, wie lange wir durch das sinkende Licht geritten waren, als Elias plötzlich den Arm ausstreckte.
    »Siehst du das Feuer?«
    Ich blinzelte und entdeckte in der Ferne mit einiger Mühe einen stecknadelkopfgroßen, rötlichen Punkt. Eine leichte Gänsehaut lief mir über Hals und Arme.
    »Amenena?« fragte ich.
    Er nickte.
    »Wir sind gleich da.«
    Mehr sagte er nicht, und ich spürte mein Herz klopfen. Wir ritten über einen Felshang, der leicht abfallend in ein Hochtal mündete.
    Abgesehen von dem Pfad, auf dem wir gekommen waren, konnte ich keinen anderen Weg entdecken, und doch mußte es einen geben. Das weitschwingende Tal war von Höhenzügen umschlossen, die das Abendlicht karminrot färbte. Eine verwunschene Landschaft, bebend im Zittern der Abendhitze, nahe dem verlorenen Paradies.
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    Wir ritten auf das Feuer zu, das sich wie eine kleine rote Blüte in der Dämmerung entfaltete. Erst als wir näher kamen, erblickte ich am Fuß einer kleinen Anhöhe
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