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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond
Autoren: Federica de Cesco
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schräg auf das Gebirge zuwanderte. Der Mann rührte sich nicht im geringsten, atmete flach. Er spürte sein Herz kräftig schlagen.
    Traumbefangen, mit blinden Augen, zog die junge Frau ihre Linien 360
    in den Sand. Er sah den Schatten ihres Armes, der sich am Boden abzeichnete. Er starrte wie gebannt auf diesen sich langsam bewegenden Schatten und glaubte auf einmal die Erdschlange zu sehen, die mit kleinen, nervösen Zuckungen vor seinen Augen tanzte. Jetzt kroch der Schatten in eines der vier Felder, ringelte sich dort zusammen, ein stiller, dunkler Kreis. Eine optische Täuschung?
    Der Mann hätte es nicht sagen können. Er erschauerte leicht, denn diese Dinge waren nicht für die Augen der Männer bestimmt.
    Nach einer Weile verlor der Mann jegliches Zeitgefühl. Und auf einmal war es vorbei; die Vision verschwand, ebenso geheimnisvoll, wie sie aufgetaucht war. In dem Viereck war nichts Lebendiges mehr, nur eine seltsam geformte Spirale in Form einer Acht, der das Mondlicht ein eigentümliches Relief verlieh. Und im selben Augenblick, als der Mann die Zeichnung im Sand als Trugbild zu erkennen glaubte, stieß die junge Frau einen kurzen, heiseren Seufzer aus. Ihr erstarrtes Gesicht belebte sich. Sie zog die Brauen zusammen, runzelte die Stirn, legte die Finger flach auf die geschlossenen Augen. Der Mann erhob sich, lautlos trat er zu ihr. Sie hob mit müdem Lächeln das Gesicht zu ihm empor. Er sah, wie ihre Zungenspitze über die Lippen fuhr. Die halbe Nacht war vergangen, der Mond wie Bronze verdunkelt. Schon brach im Osten das Grau der Dämmerung hervor, und es war eiskalt. Er setzte sich ihr gegenüber, warf einen Blick auf die halb verwischte Figur. Die kreuz und quer verlaufenden Linien und Kreise ergaben für ihn nicht den geringsten Sinn. Er öffnete den Wasserschlauch und hielt ihn ihr hin.
    Sie trank in langen, gierigen Zügen, wobei sie etwas Wasser über ihren Pullover verschüttete. Dann fuhr sie mit dem Handrücken über Lippen und Kinn. Endlich sah sie ihn an. Die Vision stand immer noch vor ihren Augen und gab ihrem Blick etwas Suchendes.
    Ihre Stimme war rauh:
    »Wie lange hat es gedauert?«
    »Es wird bald Tag«, sagte er.
    »Mir ist kalt«, stieß sie hervor.
    Er hüllte sie in seinen Umhang ein, nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich. Sie hatte die Schlange befragt. Er wußte, daß sie jetzt müde war.
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