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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond
Autoren: Federica de Cesco
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einen merkwürdig geformten, schwarzroten Fleck: ein Lederzelt.
    Schon lief über eine flache Kuppe eine Frau auf uns zu, so leicht wie ein Reh, als wären ihre Sohlen gehärtet, wobei ihr Schatten ihr vorauseilte. Ich hörte Elias lachen.
    »Das ist Kenza. Sie hört jedes Geräusch und sieht im Dunkeln wie eine Fledermaus.«
    Ich hätte der Frau kein Alter geben können. Sie hatte jugendliche, geschmeidige Bewegungen, und der kräftige Körper war mädchenhaft. Das Gesicht war ausdrucksvoll, die Wangenknochen waren hoch und die Augen von fast mongolischem Schnitt. Ich fand, daß sie gut aussah. Um besser laufen zu können, hatte sie Schleier und Gewand in ihren Gürtel gesteckt. Einige Lederamulette und eine Kette aus Gewürznelken baumelten um ihren kräftigen Hals. Ihre Augen und ihre Zähne leuchteten im Helldunkel, als sie atemlos zu uns emporblickte. Wir hielten die Kamele an und stiegen aus dem Sattel. Kenza begrüßte uns lebhaft, mit unbefangener Herzlichkeit.
    Meine Finger berührten ihre gewölbte, schwielige Handfläche; die Hand einer Frau, die harte Arbeit gewohnt war. Sie bestürmte mich mit Fragen, eine hastige Frage nach der anderen. Dabei gaben ihre Augen ihrem mahagonifarbenen Gesicht eine ganz ungewöhnliche Beweglichkeit.
    »War die Reise gut?«
    »Ja, danke.«
    »Bist du müde?«
    »Ein wenig.«
    »Bist du hungrig?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    Sie musterte mich vom Kopf bis zu den Schuhen und lachte plötzlich.
    »Wie kannst du so gut Tamabaq sprechen? Amenena hatte es mir gesagt, daß du es kannst. Ich konnte es einfach nicht glauben.«
    »Weißt du, ich habe als Kind Tamahaq gesprochen.«
    »Das wird es wohl sein. Aber es ist doch irgendwie komisch. Komm schon! Du mußt dich ausruhen.«
    Unvermittelt streckte sie die Hand aus, berührte mein Haar. Der nackte Arm war straff, die Muskeln so kräftig wie die einer Athletin.
    »Du hast Haar wie Silber. Ich mag es.«
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    Sie ließ mir keine Zeit, eine Antwort zu finden. Erschrocken über ihre eigene Kühnheit wirbelte sie herum und stürzte leichtfüßig davon, ihren Schleier über den lachenden Mund gezogen.
    Inzwischen fesselte Elias die Kamele, nahm ihnen Sattelzeug und Taschen ab. Wir klopften uns den Sand von den Kleidern. Elias wickelte seinen Schesch neu, zog den Schleier straff und berührte meine Hand.
    »Gehen wir.«
    Kenza hatte das Feuer geschürt, das hell vor dem Eingang brannte.
    Neben dem Zelt trippelten schemenhaft einige Ziegen. Ihr Meckern mischte sich in das Geräusch des Abendwindes, der mit einem salzigen Geruch über das Tal strich. Der Mittelpunkt der Landschaft aber war das Zelt, eingenistet in den Sand wie ein großer, purpurner Vogel. Olivia hatte mir erzählt, daß die Tuareg früher in sehr hohen Zelten lebten. Bisher hatte ich nur niedrige Zelte gesehen, so daß selbst kleinwüchsige Menschen – zu denen die Tuareg nicht gehörten – sich in solchen Zelten nur gebückt aufhalten konnten.
    Doch dieses Zelt war größer, als ich es mir je hätte erträumen können. Nicht nur, daß man darin aufrecht stehen konnte, es überragte weit die dunkle Gestalt, die säulengleich vor dem Eingang stand. Mein Atem stockte. Niemals hatte ich eine ähnliche Verzauberung empfunden wie jene, von der ich jetzt in diesem abgelegenen Tal umfangen wurde. Wie gebannt ging ich auf die Frau zu, die mich im Flammenschein erwartete. Sie war es, Amenena. Als ich zu ihr trat, bewegte sie sich leicht. Ich hörte ihren Schlüsselbund klirren. Das Feuer beleuchtete ihr Gesicht, und ich sah sie deutlich.
    Wie die meisten Tuaregfrauen war sie schlank, und ihre Gestalt glich einer Palme. Sie hatte ein kupferfarbenes Gesicht, fast völlig oval, in das der Mund geschnitten war wie eine Frucht. Nase und Kinn waren gerade und wie gemeißelt. Ihre großen Augen, in denen sich Funken spiegelten, zeigten um die Iris das Weiß glänzenden Porzellans. Die langen Brauen trafen sich fast auf der Nasenwurzel und liefen in Spitzen aus. Es war ein Gesicht aus einem Mythos, einfach und klar wie das einer Göttin auf einer alten Münze. Ihr Haar, das ziemlich tief in der Stirn ansetzte und in der Mitte durch einen Scheitel geteilt wurde, war geflochten. Ihr Schleier war schwarz, ebenso das Gewand, das mit Spangen am Oberarm befestigt war und die Schultern frei ließ. Abgesehen von einer Kette aus ungeschliffenem Bernstein trug sie eine Chomeissa aus Perlmutt, leuchtend wie ein Mondsplitter. Sie war gebieterisch, faszinierend. Sie war unglaublich 349
    schön. Mit
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