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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman
Autoren: PeP eBooks
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wollte er endlich erfahren, was geschehen war, auch wenn er sich vor der Antwort fürchtete.
    Svritsky sah ihn neugierig an. »Ach, dann wissen Sie das gar nicht?«
    Richard blickte auf den Boden. Ihm wurde bewusst, wie angreifbar er sich gemacht hatte. Svritsky hatte recht: Was wusste er schon über Abayomi? Dass er so wesentliche Einzelheiten ihres Lebens von seiner Nemesis erfahren musste, stimmte ihn tieftraurig. Er schüttelte den Kopf.
    Der Russe grinste hämisch. »Ach, wissen Sie … Er hat in Nigeria einige Schwierigkeiten gemacht, ihr Vater. Ich weiß das, weil ich damals zufällig dort war, um ein paar Waffengeschäfte zu machen. Jemand hat der Miliz von ihrem Vater erzählt.«
    Er machte eine Pause, ohne jedoch den Blick von Richard zu wenden. »Man hat ihn, als sie fünfzehn war, vom Esstisch weggerissen, das Essen lag noch auf seinem Teller. Vor ihren Augen haben sie ihm den Hals durchgeschnitten und den Bauch aufgeschlitzt. Wie einer Ziege. So hat sie es mir erzählt.« Er beobachtete Richard, der den Kopf schüttelte und sich mit den Fingern durch das ungewaschene Haar fuhr. »Man sagt, dass er ein guter Mann war. Aber auch ein Unruhestifter. In dieser Welt gibt es keinen Platz für gute Menschen.«

    Mandla murmelte kehlig und dunkel etwas auf Zulu. Svritsky beachtete ihn nicht.
    »Aber ich war derjenige, der sie gerettet hat, mein Freund. Ihr Ehemann … der war nutzlos. Ein schwacher Mann. Ich habe ihnen geholfen, hierherzukommen, um ein besseres Leben zu führen. Mit einer Hoffnung auf eine Zukunft. Und mit Arbeit. Also sparen Sie sich Ihre ›Ich bin der große Anwalt‹-Allüren - okay?«
    Er blies eine weitere Wolke Rauch in die Luft, die von einer Böe davongetragen wurde. »Wenn du einmal miterlebt hast, wie so etwas deinem eigenen Fleisch und Blut passiert, dann geht es nur noch ums Überleben, mein Freund.« Für einen Moment glaubte Richard das Aufflackern eines echten Gefühls in dem Russen zu sehen, etwas, das ihm bisher verborgen geblieben war. »Dann ist alles möglich. Dann gibt es nichts mehr, gar nichts mehr, was du nicht tun würdest.«
    Eine Einkaufstüte wehte vorbei und blieb an Mandlas Bein hängen. Er schüttelte sie ab, als ob es sich dabei um ein gefährliches Tier handelte. Svritsky wartete, bis es wieder ruhig war.
    »Aber wissen Sie was, mein Freund?«, fuhr er schließlich fort. »Sie haben mir den Tag versüßt. Sie haben mir wirklich den Tag versüßt.«
    »Wie meinen Sie das, Stefan?« Richard konnte es kaum ertragen, noch länger zuzuhören. Aber er wusste, dass er die ganze Geschichte hören musste, bevor er beginnen konnte, die Scherben zu sichten und seinen Platz darin zu finden.
    Svritsky schnaubte und blickte weg.
    »Was zum Teufel meinen Sie, Stefan?«
    »Okay, okay, beruhigen Sie sich. Ich sage es Ihnen ja. Der Zeuge liegt dort oben, mit einer Kugel im Herzen. Und ich habe ihn nicht angefasst. Nein, ein Polizist hat Ihr Leben gerettet, indem
er ihn erschossen hat. Das Leben des großen Anwalts dieses Zeugen. Mein ehemaliger Anwalt. Mein ehemaliger Anwalt, der mit der Frau des Zeugen vögelt. Kein schlechter Plan, oder?« Er ließ die Zigarette aus seinem Mund fallen. Einige Funken zerstoben, als sie auf dem Boden aufkam. Die brennende Glut rollte über die Straße und verschwand unter Richards Wagen.
    »Deswegen bleiben Sie auch noch hier. Verstanden, Richard? Sie dürfen sich jetzt übrigens gern verbeugen, mein Freund.«
    Der Russe begann zu applaudieren, ein langsames schmetterndes Klatschen, das von den Böen aufgenommen und fortgeweht wurde.

EPILOG
    Richard sperrte die Tür zu der kleinen Kanzlei auf. Die Schrift auf der Milchglasscheibe - »Calloway & Partner« - kam ihm weiterhin schief angebracht vor, aber der Kleber hatte sich nun festgesetzt und konnte nicht mehr abgemacht werden. Er verspürte noch immer Herzflattern, wenn er seinen Namen in den großen kraftvollen Lettern sah. Manchmal klappte er das Register der Rechtsanwälte auf, nur um befriedigt seinen Namen und seine Adresse eingeklemmt zwischen zwei großen Kanzleien lesen zu können.
    Das Büro war nur spärlich möbliert. Ein halbes Dutzend dünne Akten lagen auf dem Schreibtisch - die bisher einzigen Fälle, die er seit seinem Ausscheiden aus der Firma bearbeitet hatte. Es war ihm zu Ohren gekommen, dass nach seinem Weggang ein neuer Partner berufen worden war, der sehr viel Verantwortung übertragen bekam. Trotzdem hatte Quantal Investments beschlossen, eine der anderen großen
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