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Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede

Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede

Titel: Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede
Autoren: Haruki Murakami
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allem war jedoch, dass ich diesen Triathlon von Herzen genossen hatte. Mit meiner Zeit konnte ich nicht gerade prahlen, und eine Menge kleiner Fehler hatte ich auch gemacht. Dennoch hatte ich all meine Kraft eingesetzt, und ich spürte noch Wärme im ganzen Körper. Außerdem hatte ich mich im Vergleich zu meinem letzten Triathlon in einigen Bereichen verbessert, ein wichtiger Punkt. Ein entscheidender Aspekt im Triathlon sind die Übergänge von einer Disziplin zur nächsten. Hier zählt die Erfahrung, mit der man bisweilen auch mangelnde körperliche Fähigkeiten ausgleichen kann. Anders ausgedrückt, durch Erfahrung zu lernen macht einen großen Teil des Vergnügens am Triathlon aus.
    Natürlich waren die Erfahrungen körperlich oft schmerzhaft, und es gab Momente, in denen ich am liebsten alles hingeschmissen hätte. Aber »Schmerz« scheint eine Voraussetzung für diesen Sport zu sein. Denn wer würde sich, wenn kein Schmerz damit verbunden wäre, die Mühe machen, an einem Triathlon oder Marathon teilzunehmen? Beides Sportarten, die viel Zeit und Energie erfordern. Wir wollen den Schmerz überwinden, das Gefühl haben, am Leben zu sein, oder zumindest teilweise herausfinden, was das heißt. Die Qualität des eigenen Lebens basiert nicht auf Vorgaben wie Zeit, Zahl oder Rang, sondern wird am Ende (wenn alles gut geht) im Erwachen eines Bewusstseins für den flüssigen Ablauf des Handelns an sich erreicht.
    Auf der Rückfahrt von Niigata nach Tokyo sah ich mehrere Wagen mit Fahrrädern auf dem Dach, die ganz sicher vom Triathlon kamen. Die Menschen darin hatten das typische Aussehen von Triathleten, gebräunt und von kräftiger Statur. Nach unserem bescheidenen sonntäglichen Wettkampf im Frühherbst kehrten wir nun alle nach Hause und zu unserem Alltag zurück. Dann würde jeder den Blick auf den nächsten Wettkampf richten und still auf seine Weise an seinem Platz sein gewohntes Training wieder aufnehmen. Von außen betrachtet – oder von hoch oben – mag ein solches Leben keine besondere Bedeutung haben, fruchtlos oder sogar völlig nutzlos erscheinen, aber das spielt für mich keine Rolle. Auch wenn es keine größere Bedeutung hat, als sinnlos Wasser in einen alten Topf mit einem Loch zu gießen, bleibt zumindest die Mühe, die man sich gegeben hat. Ob nun etwas dabei herausgekommen ist oder nicht, ob es schick ist oder nicht – am Ende zählt nur das, was man nicht sehen kann (sondern im Herzen fühlt). Etwas wirklich Wertvolles kann man oft nur durch scheinbar sinnloses Tun erreichen. Doch auch Taten, die nutzlos erscheinen, müssen nicht unbedingt dumm oder unsinnig sein. So denke ich. Als Mensch, der diese Erfahrung gemacht hat.
    Natürlich weiß ich nicht, wie lange ich diesen Kreislauf aus nutzlosen Aktivitäten noch aufrechterhalten kann. Doch bisher habe ich so hartnäckig daran festgehalten und nie aufgeben wollen, dass ich versuchen werde, so lange weiterzumachen, wie ich nur kann. Der Langstreckenlauf hat mich geprägt, zu dem gemacht, der ich jetzt bin (mehr oder weniger, zum Besseren oder Schlechteren). Ich wünsche mir, dass ich so lange wie möglich ein langstreckenlaufmäßiges Leben führen kann und dabei alt werde. Auch das ist ein Leben – auch wenn man vielleicht nicht so weit gehen kann, es stimmig zu nennen. Aber habe ich denn noch eine Wahl?
    All dies ging mir durch den Sinn, während ich im Auto nach Hause fuhr.
    Auch in diesem Winter werde ich sicher irgendwo auf der Welt einen Marathon laufen. Ebenso wie ich im nächsten Sommer wieder an einem Triathlon teilnehmen werde. Die Jahreszeiten kommen und gehen, die Jahre ziehen vorüber. Ich werde wieder ein Jahr älter und werde wohl wieder einen Roman schreiben. Eine Aufgabe nach der anderen nehme ich in Angriff und erledige sie, so gut ich kann. Ich konzentriere mich auf jeden Schritt, behalte aber zugleich das Ganze im Blick und bemühe mich, so weit wie möglich in die Ferne zu schauen. Immerhin bin ich ein Langstreckenläufer.
    Persönliche Bestzeit, Rang, Äußerlichkeiten und das Urteil anderer – all das ist zweitrangig. Für einen Läufer wie mich zählt vor allem, die Ziele, die ich mir selbst gesteckt habe, mit meinen Beinen zu erreichen. Wenn ich alle Kraft gebe, die ich zu geben habe, alles ertrage, was ich ertragen kann, bin ich auf meine Weise zufrieden. Aus all meinen Fehlern und Freuden ziehe ich eine konkrete Lehre – sie kann ruhig klein sein, aber konkret muss sie sein. Und mit der Zeit, mit den Jahren, in denen
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