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Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede

Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede

Titel: Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede
Autoren: Haruki Murakami
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war es nicht das erste Mal, dass ich bei einem Triathlon über den Schwimmteil stolperte. Für gewöhnlich kann ich sowohl im Becken als auch im Meer ziemlich lange kraulen, 1500 Meter in etwa 33 Minuten. Das ist nicht sehr schnell, aber ein gutes Tempo für einen Triathlon. Ich bin an der Küste aufgewachsen und somit daran gewöhnt, auch im Meer zu schwimmen. Manchen Leuten, die nur im Becken trainieren, fällt das schwer, und sie haben Angst davor. Ich hingegen finde, es schwimmt sich im Meer sogar leichter, weil man so viel Platz hat und der Auftrieb stärker ist.
    Aber beim tatsächlichen Wettkampf konnte ich aus irgendeinem Grund nicht richtig schwimmen. Selbst als ich an der Tin Man Competition in Hawaii (Oahu) teilnahm, fiel mir das Kraulen schwer. Ich springe ins Wasser, will losschwimmen und habe plötzlich Schwierigkeiten beim Atmen. Ich hebe den Kopf aus dem Wasser, um Luft zu holen, aber der Rhythmus stimmt nicht. Und wenn ich merke, dass ich nicht richtig atme, bekomme ich Angst und meine Muskeln versteifen sich. Mein Herz beginnt zu hämmern, und meine Arme und Beine gehorchen mir nicht mehr. Ich gerate in Panik und kann nicht mehr untertauchen.
    Bei der Tin Man Competition beträgt die Schwimmstrecke nur 800 Meter, ist also kürzer als üblich. Das ermöglichte es mir, das Kraulen aufzugeben und zum Brustschwimmen überzugehen. Aber bei einem normalen Wettkampf über 1500 Meter kommt man mit Brustschwimmen nicht über die Runden. Im Vergleich zum Kraulen braucht man viel zu lange, und am Ende sind die Beine erschöpft. Deshalb wurde ich beim Triathlon in Murakami im Jahr 2000 jämmerlich disqualifiziert.
    Ich stieg aus dem Wasser, war dann aber so wütend, dass ich versuchte, die gleiche Strecke noch einmal zu schwimmen. Natürlich waren die anderen Teilnehmer längst fertig und auf ihren Rädern oder sonst wo angelangt. So schwamm ich ganz allein im Meer. Das Kraulen bereitete mir nun keinerlei Probleme. Meine Atmung funktionierte, und mein Körper bewegte sich ungehindert. Warum hatte es beim Wettkampf bloß nicht genauso geklappt?
    Bei dem ersten Triathlon, an dem ich teilnahm, befand sich der Start im Meer, das heißt, die Teilnehmer reihten sich im Wasser auf. Damals trat mich die Person neben mir mehrfach kräftig in die Seite. Bei einem Wettkampf ist so etwas unvermeidlich. Jeder will den anderen voraus sein, und manche nehmen eben den kürzesten Weg. Es ist ganz alltäglich, dass man beim Schwimmen auf den Ellbogen geschlagen oder getreten wird, Wasser schluckt oder die Schwimmbrille verliert. Aber für mich war es der erste Wettkampf, und die Tritte schockierten mich. Möglicherweise brachte mich das aus dem Gleichgewicht, und die Erinnerung daran taucht bei jedem Start aus meinem Unterbewusstsein auf. Ich kann es mir zwar kaum vorstellen, aber da bei Wettkämpfen psychische Faktoren eine große Rolle spielen, wäre es immerhin möglich.
    Vielleicht lag es auch an meinem Schwimmstil. Ich hatte mir das Kraulen selbst beigebracht – ich hatte nie einen Trainer. Ich konnte so lange schwimmen, wie ich Lust hatte, aber dass ich einen effektiven eleganten Stil hätte, ließ sich nicht behaupten. Ich bin der Typ, der beim Schwimmen einfach seine ganze Kraft einsetzt. Wenn ich weiter Triathlon betreiben wollte, musste ich wohl irgendwann meinen Schwimmstil verbessern. Es wäre nicht schlecht, parallel zur Erforschung möglicher psychischer Ursachen für mein Versagen an meinem Kraulstil zu arbeiten. Wenn ich meine technischen Mängel in den Griff bekommen könnte, würden vielleicht auch die anderen Probleme deutlicher zutage treten.
    Also legte ich eine vierjährige Triathlon-Pause ein. Währenddessen lief ich wie üblich Langstrecke und nahm einmal im Jahr an einem Marathon teil. Aber mein Scheitern beim Triathlon ging mir nicht aus dem Kopf und bedrückte mich weiter. Ich sehnte mich die ganze Zeit nach einer Revanche. In solchen Dingen bin ich ziemlich hartnäckig. Wenn ich etwas nicht geschafft habe, gebe ich keine Ruhe und kann mich nicht entspannen, bis ich es doch geschafft habe.
    Um meinen Stil zu verbessern, begab ich mich in die Obhut verschiedener Schwimmtrainer, aber keiner von ihnen war der richtige. Viele Menschen können schwimmen, aber gut unterrichten kann es, meinem Eindruck nach, kaum einer. Es ist schwer, jemandem beizubringen, wie man Romane schreibt (ich zumindest könnte das nicht), aber jemandem das Schwimmen beizubringen ist genauso schwer. Das gilt übrigens nicht nur für
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