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Worte bewegen die Welt

Worte bewegen die Welt

Titel: Worte bewegen die Welt
Autoren: Brockhaus
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Hesiod aber hat in seine Dichtungen eine Reihe von persönlichen Angaben eingestreut, die es erlauben, sich in Umrissen ein Bild von seinem Leben und seiner Persönlichkeit zu machen. Die autobiografischen Informationen reichen leider nicht aus, um seine Lebensdaten präziser zu bestimmen, als es Nachschlagewerke tun, wenn sie Hesiod allgemein »um 700 v. Chr.« datieren. Damit aber steht er, zusammen mit Homer, ganz am Anfang der europäischen Literaturgeschichte. Dichter zu werden war ihm freilich nicht in die Wiege gelegt worden und entsprach wahrscheinlich auch nicht den Vorstellungen des Vaters. Dieser stammte nicht aus Böotien, sondern aus der Stadt Kyme in Ionien an der Westküste Kleinasiens. In dieser alten griechischen Kolonie lebten die Menschen, die man im übrigen Griechenland als einfältig zu bezeichnen pflegte, vor allem vom Ackerbau. Auch Hesiods Vater war zunächst Landwirt, konnte in diesem Metier jedoch keinen Erfolg verbuchen und versuchte sich daher als Händler und Seefahrer. Als sich die finanzielle Situation nicht besserte, wanderte er nach Böotien aus und mühte sich dort auf einem kleinen Gut in Askra wieder als Bauer ab.
    In dieser kargen Welt wurde um 700 v. Chr., vielleicht auch vorher, Hesiod geboren. Über seine Kindheit gibt der Dichter keine genauen Auskünfte, doch war sie sicher entbehrungsreich und freudlos. Für die berufliche Zukunft eines Bauernsohnes gab es keine großen Alternativen: Es blieb ihm kaum eine andere Wahl, als auf dem Gut des Vaters zu arbeiten und auf den Weiden an den Hängen des Helikon Schafe zu hüten.
    DER KUSS DER MUSEN
    Doch der unscheinbare Hirte von Askra sollte einer der berühmtesten Dichter der Antike werden. Die Musen, die für die Kunst zuständigen Töchter des Gottes Zeus, so erzählt Hesiod, hätten ihm den Weg dahin gewiesen. Als er eines Tages mit seinen Schafen unterwegs war, hätten sie ihn wegen seines nutzlosen Hirtendaseins übel beschimpft und ihn mit der Überreichung des Dichterstabes aufgefordert, seiner wahren Berufung als Diener der Musen zu folgen.
    KOLLEKTIVES MEISTERWERK DER GRIECHISCHEN ANTIKE
    3000 Jahre abendländischer Kultur zehren von dem schier unerschöpflichen Fundus der griechischen Mythologie.
    Ihre Götter und Heroen leben bis heute fort – als archetypische Muster von Ideen, Problemen, Gefühlen oder Verhaltensweisen, in denen sich jede Zeit wiedererkennen oder sich zu neuer Deutung herausgefordert fühlen kann.
    Selbst die Alltagssprache greift auf jene Bilder zurück, die seit mykenischer Zeit, also schätzungsweise um 1500 v. Chr. entstanden, von Homer und Hesiod (8. und 7. Jh. v. Chr.) erstmals literarisch fixiert und in klassischer Zeit (5. und 4. Jh. v. Chr.) mannigfaltig ausgeformt wurden: Wenn beispielsweise heute ein Politiker verkündet, dass er einen Augiasstall ausmisten werde, so bezieht er sich damit auf die Heraklessage, das heißt auf eine der Taten des Helden.
    Gerade die Gestalt des Herakles regte zu vielfältiger Rezeption an. Der Heros und Halbgott war auf der einen Seite der Held, der im Zuge von zwölf ihm aufgetragenen Arbeiten Ungeheuer tötet und für gewöhnliche Sterbliche unbewältigbare Aufgaben löst, auf der anderen Seite zugleich aber auch ein – insbesondere im christlichen Mittelalter verehrtes – Sinnbild der Moralität, da er sich am Scheideweg für die Tugend entscheidet.
    In der modernen Forschung gibt es Zweifel darüber, ob Hesiod wirklich ein Erweckungserlebnis welcher Art auch immer hatte oder ob das nicht doch vollständig in das Reich der Legenden gehört. Zumindest drängt sich die Vermutung auf, dass ein Außenseiter wie Hesiod gegenüber den professionellen, aus der gebildeten Oberschicht und aus dem Adel stammenden Rhapsoden, die an den Höfen der Fürsten ihre Lieder vortrugen, seine literarischen Ambitionen begründen musste. Vielleicht spielte bei der Entdeckung seiner künstlerischen Ader die Herkunft des Vaters aus Ionien, damals eine Hochburg der epischen Dichtung, eine Rolle. Sicher aber ist er von den vielen fahrenden Sängern beeinflusst worden, die überall in Griechenland und sogar in der abgelegenen Region um das Helikongebirge unterwegs waren. Ihnen, die nicht nur dem Adel angehörten wie die großen Rhapsoden, mag sich der Hirte aus Askra durchaus gewachsen gefühlt haben.
    So machte sich Hesiod daran, das Handwerk und die Kunst des Dichtens zu erlernen. Mochte er dabei auch nicht die Perfektion der adligen Vertreter des Standes erreichen, so fand er
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