Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Worte bewegen die Welt

Worte bewegen die Welt

Titel: Worte bewegen die Welt
Autoren: Brockhaus
Vom Netzwerk:
stammen. Und überhaupt ist Homer, mag er nun eine historische Figur oder bloß ein Konstrukt späterer Zeiten sein, nicht der Erfinder der Erzählungen von Troja und von Odysseus gewesen. Hier handelte es sich um uralte Stoffe aus einem großen Zyklus von Heldensagen, die von fahrenden Sängern mit bewundernswertem Gedächtnis an den Adelshöfen mündlich vorgetragen worden waren. Die schriftliche Fixierung kann erst stattgefunden haben, nachdem die Griechen im Verlauf des 9. Jahrhunderts v. Chr. die Buchstabenschrift der Phöniker übernommen hatten. Nun bestand die Möglichkeit, den mündlich überlieferten Erzählungen eine feste Form zu geben. »Ilias« und »Odyssee« sind die ersten epischen Zeugnisse dieser neuen Schriftlichkeit der Griechen.
    LITERARISCHE VORLÄUFER HOMERS
    Der Vortrag griechischer Götter- und Heldenepen durch einen Sänger ist sehr viel älter als »Ilias« und »Odyssee«, mit denen die schriftlich überlieferte Literatur einsetzt: Der Sänger trug zur Leier aus dem Gedächtnis ein Stück in Hexametern vor, wobei er sich auf Formeln stützte. Zu ihnen gehörten etwa die schmückenden Beiwörter wie »der fußschnelle Achilleus«, aber auch Schilderungen von sich häufig wiederholenden Szenen wie Opfer oder Mahlzeit, Empfang oder Abschied. Solche mündlich überlieferten und variierten Gesänge sind auch in den Aufbau der beiden homerischen Epen eingegangen, die im 8. Jahrhundert wohl zwei große Dichter gestaltet haben.
    Die Zeit der schriftlichen Fixierung der Epen ist vermutlich das späte 8. Jahrhundert v. Chr. gewesen. Die philologische Forschung hat den Nachweis erbringen können, dass die »Ilias« etwas früher als die »Odyssee« verfasst worden ist. Die von vielen Gelehrten geteilte Annahme, dass hier zwei unterschiedliche Autoren am Werk gewesen sind, gründet sich vor allem auf erhebliche sprachliche und stilistische Differenzen zwischen den beiden Texten. Wenn es überhaupt einen »Homer« gegeben haben sollte, kommt er also nur als Urheber eines der beiden Epen in Frage. Der ionische Dialekt, in dem die Schriften abgefasst sind, macht es wahrscheinlich, dass dieser »Homer« aus Kleinasien beziehungsweise dem ostägäischen Raum stammte. Das würde auch erklären, warum die antiken Biografen die Heimat, das Tätigkeitsfeld und auch den Sterbeort Homers so übereinstimmend in eben jenen Regionen angesiedelt haben.
    »Ilias« und »Odyssee«, in ihrer schriftlichen Form also in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. entstanden, spielen fast ausschließlich in der Welt des Adels. Den Kenntnisreichtum, den die Werke über die Gewohnheiten und die Vorstellungen der Vornehmen offenbaren, macht es wahrscheinlich, dass auch »Homer«, entgegen den von antiken Autoren verbreiteten Legenden von seiner Armut, aus diesem Milieu stammte. Vielleicht gehörte er zu einer Gruppe von gesellschaftlich besonders privilegierten Dichtern, denen es erlaubt war, bei den Reichen und Mächtigen zu verkehren und ihnen von heroischen Abenteuern zu berichten.
    ›Homer war nicht nur der erste, sondern auch der größte Dichter Griechenlands.‹
    Joachim Latacz
    GESCHICHTLICHE HINTERGRÜNDE
    Unabhängig von den vielen Rätseln, die die Person des Dichters Homer aufwirft, hat die Menschen schon immer die Frage bewegt, wie es um die historische Glaubwürdigkeit der »Ilias« und »Odyssee« bestellt ist. Die Spanne der möglichen Antworten bewegt sich zwischen der Präsentation von reinem Sagenstoff und der Verarbeitung geschichtlicher Realitäten. Bei der »Odyssee« scheint die Angelegenheit klarer als bei der »Ilias« zu sein. Nie hat es einen Mann namens Odysseus gegeben, dem auf der Rückfahrt von Troja so übel mitgespielt wurde, dass er zehn Jahre lang auf dem Meer umherirrte und allerlei absonderliche Abenteuer zu bestehen hatte. Gleichwohl hat das Epos einen wahren Kern. Als es in seiner schriftlichen Form entstand, waren die Griechen dabei, in Scharen die Heimat zu verlassen und sich an den Küsten des westlichen Mittelmeeres, vor allem in Unteritalien und auf Sizilien, niederzulassen. Sie folgten dabei jenen Wegen, die ihnen Händler und Entdecker vorgegeben hatten. Die »Odyssee« spiegelt in freilich märchenhafter Form die Erlebnisse und Erzählungen dieser wagemutigen Seefahrer wider.
    MYKENE
    Der mykenischen Kultur wurde in Homers Epen ein literarisches Denkmal gesetzt. Nach der Einwanderung von Indogermanen nach Hellas um 1900 v. Chr. entstand in der mittleren Bronzezeit (bis
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher