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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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11. Mai 1972
    Liebe Deirdre,
     
    warst du tatsächlich überrascht, als der Junge dir eine Rose überreichte? Wie hat er sich gefreut erst erfährt er, dass sein Opa bald aus dem Krankenhaus entlassen wird, und dann gibt ihm der Mann mit dem Gipsbein, der neben seinem Opa im Zimmer liegt, auch noch ein paar Pence extra, damit er rasch eine Rose für die hübsche Krankenschwester besorgt… Er sagte mir, du hättest erstaunt dreingeblickt, als er sie dir gegeben hat! Aber ich glaube, du hast ihm nur etwas vorgespielt. Du wusstest sofort, dass sie von mir war. Sonst hätte dich mein Kuss viel mehr verwundert…
    Liebste Deirdre, ich kann und werde den heutigen Tag niemals vergessen. Mein Beinbruch ist fast verheilt, über meinen Sturz vom Pferd lache ich längst, morgen schon werde ich entlassen, aber ich wünsche mir, sie würden es mir ein zweites Mal brechen oder gleich wegoperieren, damit ich noch länger bleiben darf, nur um dich jeden Tag zu sehen. Und sei es nur für wenige Minuten.
    Sei es nur, um deine kühlen Hände ganz beiläufig zu berühren, ganz heimlich, wenn du die Decken aufschüttelst. Um dein Lächeln zu genießen, wenn du mir etwas bringst.
    Aber ich muss gehen, muss zurück nach Hause. Du weißt, dass mich meine Frau und drei Kinder erwarten, ich weiß,
dass es nicht sein darf, aber ich wünsche mir nichts in diesem Leben so sehr, als dich wiederzusehen.
    Willst du mich wiedersehen? Ich hoffe es so sehr. Denn für mich ging endlich die Sonne auf, nachdem das Jahr so dunkel und kalt angefangen hatte. Du hast mir Licht und Wärme gebracht, und ich weiß, dass ich ohne dich nicht mehr glücklich werden kann.
    Sag Ja! Du musst Ja sagen. Du bist Deirdre, und ich bin Naoise, wie in der alten Legende. Wir gehören zusammen, auch wenn alle Welt dagegen ist… Liebten wir uns denn nicht schon im ersten Augenblick, wie diese beiden es taten?
    Ich werde dir so lange schreiben, bis du Ja zu einem Treffen sagen wirst. Ich werde dir alles von mir erzählen, so lange, bis du mich besser kennst als dich selbst…
     
    Dein M.

Für die Aussprache der irischen Namen und ein kleines Irland-Lexikon siehe Anhang.

1
    »Tee ist gerade aus«, sagte der Wirt der Pine Lodge.
    »Tee ist aus?«
    »Lieferantenengpass. Lange Geschichte.« Er lachte. »Morgen ist wieder welcher da.«
    »Dann nehm ich…«
    »Ein Bier?«
    »Nicht sonntagmittags um zwölf, danke.«
    »Ich sag’s auch keinem weiter.« Er grinste und hielt ein Pintglas hoch.
    Ich musste lachen, schüttelte aber den Kopf. »Versuchen wir es mit Orangensaft.«
    »Tja …«
    »Was ist? Ist Orangensaft auch aus?«
    »Ich weiß nicht, ob ich das verantworten kann, am Sonntagmittag.«
    Mittlerweile lachte das halbe Pub über uns. Der Wirt schob mir augenzwinkernd den Saft herüber, und ich musste ihm beichten, dass ich vergessen hatte, Pfund in Euro zu wechseln. An alles hatte ich gedacht. Wie üblich, wenn ich irgendwohin flog, war ich perfekt ausgerüstet, ganz so als befürchtete ich, drei Wochen lang auf einer einsamen Insel zu stranden. Ich hatte auch alle Akten mitgenommen, die ich bis nächste Woche durcharbeiten
wollte. Sogar Handtücher hatte ich eingepackt, obwohl ich bei meiner Mutter wohnen und nur zwei Nächte bleiben würde. Von einer überraschenden Handtuchknappheit im County Cork war mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auszugehen. Aber so war ich nun mal: für jeden Notfall ausgerüstet. Nur diesmal hatte ich vergessen, Geld zu wechseln. Das war mir noch nie passiert.
    Der Wirt zog das volle Glas zurück und sagte streng: »Für britische Pfund gibt’s nur Bier.«
    Für einen Moment glaubte ich wirklich, er meinte es ernst, aber dann sah ich, wie seine Mundwinkel zuckten.
    »Ich besuche meine Mutter«, erklärte ich. »Sie sollte schon längst hier sein, um mich abzuholen. Bestimmt kommt sie jeden Moment. Dann gibt sie Ihnen das Geld.«
    »Wer ist denn Ihre Mutter?«, fragte er, doch ein wenig misstrauisch. »So viele Engländerinnen gibt es in unserem schönen Myrtleville nicht.«
    »Deirdre Sullivan.«
    Er riss staunend die Augen auf. »Dann musst du die kleine Alannah sein! Das kann ich kaum glauben! Was für eine Überraschung! Ich bin Gerry. Bestimmt erinnerst du dich kein Stück mehr an den alten Gerry … «
    Seit Jahren hatte mich niemand mehr Alannah genannt. »Ally Russell, wenn’s recht ist. So heiß ich jetzt. Freut mich sehr.«
    Wir schüttelten uns die Hand, und er strahlte immer noch. Von sich selbst als dem alten Gerry zu sprechen,
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