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Wolfstränen - Roman (German Edition)

Wolfstränen - Roman (German Edition)

Titel: Wolfstränen - Roman (German Edition)
Autoren: Vanessa Farmer
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»Sie spielen die Ergebene! Aber Sie sind es nicht, nein ... wirklich nicht! Welches Geheimnis schlummert in Ihnen, Nell?«
    Um Haaresbreite hätte Nell ihn gefragt, welches Geheimnis sich in seinem Zimmer abspielte - und von schlummern konnte hier wohl keine Rede sein. Sie biss sich auf die Lippen. »Ich habe nicht gelauscht!«
    Blackhole nickte. »Sie haben Drought einen Lügner genannt. Ich schätze ihn sehr. Er hat mir empfohlen, mich von Ihnen zu trennen.«
    Nell atmete schwer. Nur mühsam unterdrückte sie ihren Zorn. »Dieser Mann hasst mich«, flüsterte sie.
    Blackhole musterte sie aufmerksam.
    Unendlich langsam nickte er. »Zumindest hat er über Sie eine sehr kritische Meinung«
    »Was werden Sie tun, Sir?«
    Blackhole schob das Gedeck von sich und hievte sich aus dem Stuhl. Er deutete eine Verbeugung an, blickte Nell in die Augen und sagte: »Ich möchte Sie für heute abend zu einem Dinner ins Hall Inn einladen!«
     
     
     
     
     

4
     
    Pünktlich um 20 Uhr fuhr die Droschke vor.
    Nell hatte sich ihr feinstes Kleid ausgesucht - genaugenommen ein unmodischer Lappen, doch sie hatte ihn mit bunten Stoffblümchen verschönert und sich die Haare über der Wasserschüssel gewaschen. In die langen roten Strähnen hatte sie sich bunte Schleifen geflochten.
    »Sie sehen zauberhaft aus«, sagte Adrian Blackhole. Er verbeugte sich galant, was Drought, welcher etwas abseits stand, mit einem Zähnefletschen quittierte.
    Der Kutscher sprang von seinem Bock und zog die Tür auf. Blackhole half Nell in den Verschlag und folgte mit einem geschmeidigen Sprung.
    Sekunden später preschte das Gefährt, von zwei Gäulen gezogen, über den Kiesweg vor Stairfield House zur Straße hinunter.
    Die stahlumspannten Räder krachten über das Kopfsteinpflaster. Gaslaternen erhellten die Straßen. Menschen drängten sich vor den Eingängen der Gasthöfe, und mehr als einmal mussten sich unachtsame Laternenmänner mitsamt ihren Leitern vor der Droschke in Sicherheit bringen.
    Nells Herz schlug schnell. Noch immer hatte sie sich nicht mit dem Gedanken vertraut gemacht, von Adrian Blackhole ausgeführt zu werden.
    So etwas galt als unmöglich und konnte zu einem Skandal führen. Wenn die Menschen dieser Zeit auf etwas achteten, war es Klassenbewusstsein. Und ein Hausmädchen war nicht mehr wert als Dreck.
    »Warum haben wir es so eilig?«, fragte Nell.
    »Eine reine Vorsichtsmaßnahme«, murmelte Blackhole.
    Nell sah ihn fragend an.
    Er winkte ab. »Ich hatte den Eindruck, von ein paar dunklen Typen beobachtet zu werden. Man weiß in dieser Stadt nie, ob sie einem nicht eine Falle stellen.« Er grinste jungenhaft. »Die Gauner, falls es welche sind, wissen nicht, dass ich niemals bar bezahle und deshalb nur wenige Münzen bei mir führe.« Er zog die Augenbrauen in die Höhe. »Außerdem mag ich es, wenn die Pferde schnell sind. Manchmal möchte ich dann meinen Kopf aus dem Fenster strecken, den Wind im Haar, die Arme in die Luft recken und der Nacht einen Gruß zurufen.« Er räusperte sich verlegen. Seine Augen blitzten. »Genießen Sie die Fahrt, Nell! Sie ist Ihrer würdig. Temperamentvolle Pferde für eine temperamentvolle Frau.«
    Wenige Minuten später hielt die Droschke vor einer hell erleuchteten Einfahrt.
    »Das Hall Inn «, sagte Blackhole. »Eine der besten Adressen in London. Willkommen auf The Strand ! Hier, meine Liebe, ist die Meile der Reichen. Hier trifft sich, was Rang und Namen hat.«
    Nervosität huschte durch Nell. Sie hatte mit einem gemütlichen kleinen Gasthaus gerechnet, aber das hier ...
    »Keine Sorge! Alle Menschen sind gleich ... wenn sie vor gefüllten Tellern sitzen! Sie rülpsen und haben fettige Mäuler«, lächelte Blackhole und half ihr aus dem Verschlag. Beflissene Diener rissen Türen auf, verbeugten sich und wiesen Nell und Blackhole den Weg hinein ins Hall Inn .
    Die Pracht dieses Speisetempels blendete Nell. Überall flackerte Lampen, reichlich verzierte Lüster, indirekt abstrahlende Laternen, der Fußboden war mit feinsten Teppichen ausgelegt, die Tische befanden sich auf mehreren Ebenen. Ein Orchester spielte heimelige Musik und von überall her wehte dezentes Gemurmel durch die Halle. Niemand sah sie an, erst als sie an den Tischen, die sich unter edlen Speisen bogen, vorbeigeführt wurden, schaute der eine oder die andere auf und nickte erkennend.
    Der Kellner zog Nell den Stuhl bereit, und als sie saßen, stellte er sich, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, in einiger
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